Immer Ärger mit den Männern: Roman (German Edition)
»Hat er Ihnen das Bild von mir gezeigt, das er in seiner Brieftasche mit sich herumschleppt? Es wurde aufgenommen, als ich bei den Pfadfinderinnen war!«
Juliet runzelte die Stirn. »Er hat sich um Sie gekümmert?«
Verdammt. Weshalb hatte Josie ausgerechnet einen Job in diesem Haus? Bisher war dies der einzige Ort gewesen, an dem niemand jemals seine Kompetenz in Frage stellte, und er konnte es ganz sicher nicht gebrauchen, dass die Sprache auf ihn als großer Bruder käme, denn schließlich wurden seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet regelmäßig von seinen drei Schwestern hinterfragt. »Tja, hör zu«, versuchte er Juliets Aufmerksamkeit abzulenken. »Wir müssen langsam weiter -«
»Hat Beau Ihnen das etwa nicht erzählt?«, fiel ihm seine Schwester gnadenlos ins Wort, während der Blick von ihren dunklen Augen auf seine rechte Hand fiel, die besitzergreifend auf dem Arm von seinem Schützling lag. Gemütlich schlenderte sie hinter ihnen her, während er Juliet erst in Richtung Fahrstuhl und dann, als dieser auf seinen ungeduldigen Knopfdruck hin nicht umgehend erschien, weiter Richtung Treppe zog. »Nach dem Tod unserer Eltern vor zehn Jahren hat er unsere Erziehung übernommen. Meine, Anabels und Camillas. Beauregard war für uns drei Mama, Papa und Bruder in einer Person.«
Beau, dessen Hand schon auf dem Türgriff lag, erstarrte. Verdammt. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er Juliets Bild von sich als der unermüdlichen Sexmaschine genossen hatte, bevor die Worte seiner Schwester ihn wieder zu dem fürchterlichen Langweiler machten, der er in Wahrheit war.
Einer seiner Wangenmuskeln zuckte, und er biss die Zähne aufeinander. Noch ein paar Monate, dann setzte er seine jüngste Schwester vor die Tür und nichts hinderte ihn mehr daran, wirklich das Leben eines Sexprotzes zu führen. Alles Verpasste nachzuholen und sämtliche Fantasien von irgendwelchen Endlos-Orgien auszuleben, mit denen er sich oft getröstet hatte, während er von der Sorge um die richtige Methode der Erziehung dreier heranwachsender Mädchen erfüllt gewesen war. In der sicheren Erwartung, dass sie ihn von diesem Augenblick an völlig anders sähe, wandte er sich Juliet mit ausdrucksloser Miene zu.
Er musste entdecken, dass sie nicht ihn, sondern seine Schwester mit ernsten Augen ansah.
»Sie und Ihre Schwestern haben großes Glück gehabt«, erklärte sie mit leiser Stimme, und das leichte Lächeln, mit dem sie ihn bedachte, verriet keine Spur der Distanziertheit mehr, mit der sie ihm begegnet war, seit er sie gezwungen hatte, die Bitte um seine Abberufung zurückzuziehen. Verdammt, nie, nicht einmal, wenn er über hundert würde, würde er die Frauen verstehen. Frauen lebten einfach in einer völlig anderen Welt.
»Ja, ich weiß.« Josie Lee verzog den Mund zu einem Grinsen und knuffte ihren Bruder in die Schulter. »Auch wenn Beauregards Erziehungsstil ganz sicher einzigartig war.«
Juliet musste ein Lachen unterdrücken, als sie inbrünstig erklärte: »Das glaube ich gern.«
»Tja, hör zu, Juliet muss weiter ihre Hoteleröffnung vorbereiten, und ich muss noch zu Luke. Wir sehen uns dann später, Jose.« Er öffnete die Tür und zog Juliet mit sich ins Treppenhaus.
»Wartet, ich komme mit rauf.« Josie Lee folgte den beiden in die obere Etage. »Ich habe nämlich noch keine Mittagspause gemacht.«
Beau hielt den Atem an, als sie plötzlich verstummte, denn er wusste ohne hinzusehen, dass sie Juliet einer genauen Musterung unterzog.
Erleichtert atmete er wieder auf, als sie lediglich erklärte: »Ihr Lippenstift hat eine wirklich tolle Farbe.«
»Nicht wahr? Beau hat mich vorgestern mit der Queen des Make-ups bekannt gemacht, die …«
Grinsend nahm er zwei Treppenstufen auf einmal und zog sie hinter sich her. Er würde ein Monatsgehalt darauf verwetten, dass ihr noch nicht einmal bewusst war, dass die Bezeichnung Queen nicht nur für Königin, sondern auch für Transvestiten galt. Für eine derart gebildete und weltgewandte Frau war sie in Bezug auf alle sexuellen Dinge unglaublich naiv.
Plötzlich sah er sie wieder vor sich, wie sie in seinem Wagen auf seinem Schoß gesessen hatte. Die Willigkeit, mit der sie sich seinem Mund und seinen Händen entgegengereckt hatte, hatte alles andere als naiv und unschuldig gewirkt. Wie bereits unzählige Male seit jenem schicksalhaften Abend verdrängte er das Bild. Schließlich hatte er sich in dem Augenblick nicht unbedingt professionell gezeigt.
In der zweiten Etage
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