Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
jetzt.«
Jan hielt die Luft an, Papa musterte mich streng. »Und was ist das? Muss ja bannig wichtig sein, wenn du so einen Zirkus darum veranstaltest.«
Mist!
Was jetzt?
Ich kramte in meinem überforderten Gehirn nach einem glaubwürdigen Gegenstand. »Mein … äh … mein … Filofax.« Gar nicht schlecht. Ein bisschen retro vielleicht, aber das passte ja zu den Ereignissen dieser Tage.
Jan stieß die Luft pfeifend wieder aus. Er wirkte jetzt auch erschöpft.
Papa fasste sich an die Mütze, wie er es immer tat, wenn er nachdachte. Seine Finger bekamen aber nur den Haaransatz zu fassen. Das schien ihn einen Moment zu verwirren. Schließlich ließ er den Arm sinken.
»Filofax, so, so.« Bei ihm klang das wie Fix und Foxi. Doch sofort überraschte er mich: »Hätte ich nicht gedacht, dass man heutzutage noch so einen altertümlichen Taschenkalender braucht. Du hast doch schon ein Blackberry und einen Laptop.«
Jan riss die Augen auf, ich auch.
Papa lachte. »Ihr zwei denkt wohl, ich lebe hinterm Mond. Dabei weiß ich immer noch einiges mehr, als ihr denkt.«
Das stimmte. Und auch wieder nicht.
»Ich sichere mich eben gern doppelt und dreifach ab«, sagte ich. »Weil ich doch ein wenig … äh … vergesslich bin.«
»Nicht besonders plietsch«, ergänzte Jan.
»Offensichtlich«, brummte Papa. »Na, dann seht mal zu, dass ihr diese Dame findet. Die Pläne für den Stall kann ich dir auch morgen zeigen, Nele.«
Damit waren wir entlassen und beeilten uns, ins Haus und auf mein Zimmer zu kommen.
Aus der Küche drangen Gretes laute und Maries leise Stimme auf den Flur. Es ging, soweit ich es verstehen konnte, um den Grabstein aus Carrara-Marmor, und es klang eindeutig nach einem ausufernden Streit. Ich zögerte kurz auf der untersten Treppenstufe. Bestimmt hoffte Marie, ich würde jeden Moment heimkommen und ihr beistehen. Versprochen hatte ich es ja. Nur fühlte ich mich im Augenblick keiner weiteren Auseinandersetzung gewachsen. Auch fürchtete ich, mich zu verraten, wenn ich den beiden gegenüberstand. Eben mit Papa wäre es ja beim Thema Hamburg und Opas Asche auch schon fast schiefgegangen.
Vermutlich näherte ich mich so langsam dem geistigen Overkill. Jetzt bloß nicht noch auf Marie zustürzen, sie in die Arme nehmen und freudig »Liebste Omi!« rufen!
Großer Gott.
Schnell lief ich hinter meinem Bruder die Treppe nach oben.
Die Stunden bis zum Abend verbrachten Jan und ich mit gefühlten zweihundert Telefonaten nach Hamburg. Allesamt ergebnislos.
»So finden wir sie nie«, stöhnte ich und ließ mich frustriert aufs Bett fallen.
Jan sank neben mir in die Kissen. »Sieht so aus. Und im Fundbüro am Hauptbahnhof ist auch nichts.«
Das war seine geniale Idee gewesen. Ich hatte ihm dankbar auf die Schulter geklopft. »Na klar! Darauf hätte ich selbst kommen müssen! Das Fundbüro!« Innerlich hatte es mich geschüttelt. Die Vorstellung, dass die Tupperdose mit Opas Asche eines Tages als vergessener und nicht abgeholter Gegenstand zusammen mit Regenschirmen, Rucksäcken, Winterjacken und Spazierstöcken zur öffentlichen Versteigerung kommen würde, war ja auch außerordentlich gruselig.
Tja, die Idee war gut gewesen, nur leider brachte sie nicht den gewünschten Erfolg.
»Bedauere«, sagte der Bahnangestellte. Jan ließ mich mithören. »So etwas ist bei uns nicht abgegeben worden. Rufen Sie morgen noch einmal an. Manchmal dauert es, bis die Zugreinigung die Fundstücke bei uns abgibt.«
Ich unterdrückte einen Fluch, sah mir dann die noch immer so furchtbar lange Liste der Kowalskis an und gab die Hoffnung auf.
Nun wünschte ich mir, nie wieder von meinem Bett aufstehen zu müssen. Ich wollte mir keine Sorgen mehr machen müssen um verschwundene Asche, ausgetauschte Großmütter, zersprungene Herzen und Knutschorgien. Ich wollte einfach mal gar nichts mehr.
Auch Jan war müde. Er fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht und stöhnte. »Ich kriege schon Falten von der Geschichte.«
»Quatsch. Du siehst toll aus.«
»Wirklich?«
»Großes Pfadfinderehrenwort.«
»Du warst nie bei den Pfadfindern.«
»Dann eben großes Indianerehrenwort.«
Jan ersparte mir einen Kommentar. Stattdessen versuchte er, mich zu trösten. »Die richtige Hertha Kowalski wird unseren Opa bestimmt nach Hause bringen.«
Zu gern wollte ich ihm glauben, konnte es jedoch nicht. »Es sind schon mehr als vierundzwanzig Stunden vergangen. Sie hätte längst hier sein können.«
»Nur keine Panik. Alte Damen brauchen
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