Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
etwas länger.«
Ich war nicht so leicht zu überzeugen. »Vielleicht hat sie ja auch gedacht, wegen so einer Tupperdose mit ein paar zerkrümelten Reiswaffeln lohnt sich die Fahrt nicht. Sie hat Opa ausgekippt, in der Toilette runtergespült oder die Dose auf den Komposthaufen geleert, falls sie einen Garten in Hamburg hat. Und wenn sie nächstes Mal zu ihrer Tochter nach München fährt, packt sie ihre Brote da rein.«
Selbst der Hinweis, den ich in der Tupperdose platziert hatte, schien ja nicht gewirkt zu haben.
Jan stieß ein Seufzen aus. »Nun ist mal gut, Nele. So negativ kenne ich dich gar nicht. Apropos Brote. Ich habe Hunger, du nicht?«
»Wie kannst du nur so profan sein!«, empörte ich mich, während sich mein eigener Magen mit einem Knurren zu Wort meldete. Mittags hatten wir ja nicht viel gegessen.
Jan grinste. »Historische Ereignisse erfordern geistige und körperliche Kräfte. Ich kann weder denken noch handeln, wenn ich nicht gut genährt bin.«
Ich warf ihm ein Kissen an den Kopf; er parierte es mit einer Hand. Dann wurde er plötzlich nachdenklich. »Hast du je etwas geahnt, Nele? Von Hermann und Marie?«
»Im Leben nicht. Wer kommt denn auch auf so was? Hermann, Grete und Marie in einer Ménage à trois. Aber jetzt ist mir einiges klar geworden.«
»Mir auch«, sagte Jan und grinste schon wieder. »Deshalb drehen in unserer Familie auch langsam alle durch. Unser aller Leben ist auf einer Lüge aufgebaut. Ich finde, die Lüttjens würden sich supergut für eine zehnteilige Doku-Soap auf RTL 2 eignen.«
»Witzbold«, knurrte ich.
»Stimmt doch. Wir hätten einiges mehr zu bieten als irgendwelche Neureichen, die sich gerade mal wieder ein Haus in Monte Carlo zulegen wollen.«
Ein bisschen musste ich nun doch lachen.
»Sogar Mama sucht neuerdings immer öfter das Weite«, ergänzte Jan. »Wenn wir nicht aufpassen, zieht sie bald als spätes Blumenmädchen durch die Weltgeschichte.«
»Über Mama scheinst du ja mehr zu wissen als ich«, hakte ich ein.
Jan nickte.
»Also? Worauf wartest du noch? Erzähl!«
»Ich musste ihr schwören, ihr kleines Geheimnis für mich zu behalten.«
Meine Hand griff wieder nach dem Kopfkissen. Drohend schwebte es über Jans Kopf. »Raus mit der Sprache! Ich bin schließlich deine Schwester.« Und ihre Tochter, fügte ich im Stillen hinzu. Und ich dachte immer, ich hätte trotz allem ein gutes Verhältnis zu ihr gehabt. Ein ganz kleines bisschen war ich neidisch auf Jan.
13.
Schmalzbrot und Haschpfeife
Mein Bruder druckste eine Weile herum und erzählte dann von einem Erlebnis am Eppendorfer Markt, wo er zusammen mit Eike in einem Café gefrühstückt hatte.
»Wieso Eppendorf?«, fragte ich dazwischen, obwohl ich mir schon denken konnte, warum. »Ist ziemlich weit weg von der Schanze.«
»Da kennt ihn keiner«, erwiderte Jan sachlich, aber in seinen Augen stand wieder Traurigkeit.
Ich ließ das Kissen sinken und griff tröstend nach seiner Hand.
Dankbar drückte er meine Finger. »Jedenfalls habe ich an dem Morgen Mama gesehen. Sie lief zusammen mit ein paar anderen Frauen über die Kreuzung, und sie trugen alle mehr oder weniger dasselbe Hippie-Outfit. Eike hat mich gefragt, ob die Sechzigerjahre wieder ausgebrochen wären. Wenigstens hat er Mama nicht erkannt. Du weißt ja, wie spießig er ist.«
»Tja«, murmelte ich. »Schon erstaunlich für einen so bigotten Mann.«
»Nele, bitte.«
»Entschuldige.« Ich hätte ruhig mal ein bisschen einfühlsamer sein können.
Er verzieh mir mit einem kleinen Lächeln. »Als ich dann zwei Wochen später wieder hier war, habe ich sie darauf angesprochen.« Er brach ab.
»Und? Raus mit der Sprache.«
»Na ja, Mama hat erst mal nur herzlich gelacht. Das fand ich schon reichlich merkwürdig. Dann hat sie mich mit in den Ponystall genommen, wo uns keiner hören konnte. Und ich musste schwören, absolutes Stillschweigen zu bewahren. Es müssten ja keine Gefühle verletzt werden, meinte sie.«
»Damit hat sie natürlich Papa gemeint«, warf ich ein. »Der dreht ja durch, wenn er rauskriegt, dass sie da in Hamburg eine Kommune gegründet hat und …«
»Nele! Du weißt überhaupt nicht, wovon du redest.«
»Dann erkläre es mir doch.«
Jan seufzte. »Gern. Wenn du mich mal zu Wort kommen lässt.«
Ich hielt den Mund und ließ mich auf dem Bett zurücksinken. Für einen Moment hätte ich nichts dagegen gehabt, keine aufregenden Neuigkeiten mehr zu hören. Mein geistiges Fassungsvermögen war schon seit
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