Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
einmal?«
Ich fühlte mich ertappt und senkte den Blick. »Ich dachte ja nur so. Du könntest mir mal die Pläne für den Stallausbau zeigen.«
Von Mama wusste ich, dass Papa den Heuboden in zwei Ferienwohnungen umwandeln wollte.
Er schien zu zögern, und ich hoffte schon, er würde bleiben. Immerhin war es sein größter Wunsch, mich heimzuholen auf den Hof, damit wir künftig als Team arbeiteten. Aber dann schüttelte er den Kopf und drehte den Schlüssel im Zündschloss. »Dafür ist noch Zeit genug, wenn ich wieder da bin.«
Erschöpfung machte sich in mir breit, und ein paar meiner grauen Zellen gerieten durcheinander. »Wenn du sowieso schon in Hamburg bist, kannst du ja auch gleich die Tupperdose mit Opas Asche zurückbringen.«
Zum Glück hatte ich leise gesprochen und mich gleichzeitig aufgerichtet. Papa hatte mich nicht gehört. Jedenfalls zeigte sein Gesicht keinerlei Anzeichen eines Schocks.
Dafür brüllte Jan jetzt gegen den aufheulenden Motor an: »Du weißt doch überhaupt nicht, ob Mama überhaupt in Hamburg ist!«
»Nein!«, brüllte Papa zurück. »Aber ich kann es mir denken. Heidi wollte schon als junges Mädchen immer in die Stadt ins Kino. Lüneburg war ihr ja nicht gut genug!«
Erstaunlich, wie er mal eben so über schlappe fünfunddreißig Jahre hinweg Verknüpfungen herstellte.
»Und wenn schon!«, schrie Jan. »Hamburg ist groß! Du hast keine Ahnung, wo du nach Mama suchen musst!«
Der Motor erstarb. »Du etwa?«
»Könnte sein«, erwiderte Jan vorsichtig.
Papa stieg aus und baute sich vor seinem Sohn auf. Ziemlich bedrohlich, fand ich.
»Raus mit der Sprache. Steckst du etwa mit deiner Mutter unter einer Decke? Das würde ja zu dir passen.«
Jan verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. »Wenn du mir so kommst, sage ich keinen Ton mehr. Ich sehe sowieso nicht ein, wieso ich hier plötzlich allen aus der Patsche helfen soll. Erst Nele und jetzt dir.«
»Wieso Nele?«, fragte Papa.
»Ach, nur so.«
Papas Blick wanderte zwischen Jan und mir hin und her. Zum Glück zog er die falschen Schlüsse und schaute mich streng an. »Was wollte eigentlich dieser Anwalt vorhin von dir? Hat er dir verraten, was in Opas Testament steht? Als er heute hier war, habe ich nichts aus ihm rausgekriegt. Aber dich wollte er unbedingt sehen. Und er hat sich dabei ganz komisch ausgedrückt. Von wegen private Familienangelegenheit oder so. Wer bin ich denn? Der Hofhund?«
Das war eine ausgesprochen lange Rede für meinen sonst eher wortkargen Vater.
Jan stieß ein leises Kichern aus, ich musste schnell wegsehen.
»Äh, Papa …«
Das Klingeln eines Handys rettete mich.
Es war nicht meins, auch nicht Jans. Nie im Leben würde der sich freiwillig Udo Jürgens als Klingelton wählen. Schon gar nicht Ich war noch niemals in New York .
Litt Papa manchmal unter Fernweh? Konnte ich mir nicht vorstellen. Möglicherweise hatte Mama ihm den Song eingestellt.
Er wirkte einen Moment verwirrt, bis er sein Handy in der linken Hosentasche fand. Dann hackte er hektisch darauf herum. Jeder andere hätte damit seinen Gesprächspartner weggedrückt, aber Papa rief nur: »Heidi! Wo bist du? Ist alles in Ordnung mit dir? Kommst du nach Hause? Ich warte hier auf dich!«
»Warum schreit er denn so?«, raunte ich Jan zu.
Der hob die Schultern. »Wahrscheinlich traut er der Technik nicht über den Weg.«
Mamas Antwort war offenbar zufriedenstellend, denn Papa hackte erneut auf das arme Gerät ein und steckte es zurück in die Hosentasche.
»Die Sache hat sich erledigt. Nele, willst du jetzt die Pläne für den Ausbau sehen? Sie liegen in meinem Büro. Wir können sie auch mit in den Stall nehmen, damit du dir alles besser vorstellen kannst.«
Ich fand seinen Themawechsel bemerkenswert. War ihm wohl peinlich, die Szene eben.
»Sehr gerne.« Ich wandte mich an Jan. »Kannst du in der Zeit mal schauen, ob du Hertha findest?« Ich zwinkerte ihm möglichst unauffällig zu.
Nicht unauffällig genug.
»Was habt ihr bloß alle mit dieser ominösen Hertha Dingsbums?«, erkundigte sich Papa. »Heute früh habt ihr auch schon von der Frau geredet.«
Richtig, fiel mir ein, und Oma Grete war auch schon misstrauisch geworden.
Ich beschloss, mich so dicht wie möglich an der Wahrheit zu halten. »Hertha Kowalski ist eine nette ältere Dame aus Hamburg, die ich im Zug kennengelernt habe. Sie hat wahrscheinlich etwas mitgenommen, das ich beim Aussteigen in Lüneburg liegengelassen habe. Deshalb suche ich sie
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