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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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manchmal noch so ein Ding.
    Er runzelte die Stirn und dachte eine Weile nach. »Ich glaube, ich mag am liebsten Pinien. Schirmpinien. Die erinnern mich an meine schönsten Ferien in Italien. Damals, die Woche mit Eike …«
    »Alles klar«, schnitt ich ihm das Wort ab.
    War jetzt nicht besonders hilfreich gewesen.
    Auf der Rückfahrt schwiegen wir beide. Es gab ja auch einiges zu verarbeiten.
    Erst kurz bevor wir unseren Hof erreichten, sagte ich: »Vielleicht behalten wir die Geschichte erst einmal für uns.«
    »Wollte ich auch gerade vorschlagen«, stimmte Jan mir zu. »Chaos haben wir ja schon genug.«
    Recht hatte er.
    Fünf Minuten später wurde unser Familienchaos durch eine spontane Entscheidung unseres Vaters angereichert.

12.
    Und noch ’n Geheimnis
    »Wo willst du hin, Papa?«, fragte Jan, als wir gerade aus dem Wagen stiegen. Dann verstummte er, und auch mir fiel erst mal nichts ein. Erst jetzt, da ich ihn sah, sickerte bei mir die Neuigkeit über Papas Herkunft richtig durch. Jan schien es ähnlich zu gehen.
    Wir sahen den Mann an, dessen Leben für uns nie irgendwelche Geheimnisse geborgen hatte. Dies war unser Vater, ein erdverwachsener Heidjer, der Sohn von Opa Hermann und Oma Grete. Ein Vater, der uns stets Sicherheit gegeben hatte und der, so gut er es vermochte, zu uns stand. In guten und in weniger guten Zeiten. Er war unsere Zuflucht, er wusste immer Rat. Mochten Winterstürme über die Heide fegen, mochte die Familie auseinanderbrechen und sich in alle Winde zerstreuen – auf Olaf Lüttjens war Verlass. Er setzte ein liebevolles Gegengewicht zu Opa Hermanns eher rüdem Umgang mit uns und zu Mamas an Gleichgültigkeit grenzende innere Abwesenheit.
    Als wir größer wurden, kam er nicht mehr ganz mit. Pubertierende Sprösslinge waren ihm zu kompliziert. Möglicherweise ahnte er auch, dass er mit unseren Problemen überfordert war. Nie erfuhr er, was Jan in der Schule durchmachte, nie verriet ich ihm, wie fremd ich mich in meiner eigenen Familie fühlte.
    Dann waren seine Kinder plötzlich erwachsen, und Papa verstand die Welt nicht mehr. Mein fluchtartiges Fortgehen aus Nordergellersen, Jans Coming Out – das war schon hart für ihn gewesen. Er hatte einen anderen Lebensplan für uns gehabt und musste schmerzhaft lernen, dass wir eigene Wege gehen wollten. Damals hat er bestimmt am Erfolg seiner von Nachsicht geprägten Erziehungsmethode gezweifelt. Dennoch wussten wir, dass seine Liebe zu uns über alle Zeit hinweg Bestand hatte.
    Und nun war er plötzlich ein anderer, einer, den wir vielleicht gar nicht richtig kannten, einer, der nicht wusste, was wir wussten.
    »Was ist denn mit euch los? Was gafft ihr so? Kann ich mich nicht mal umziehen?«
    Erst da bemerkte ich, dass er verändert aussah.
    Ich trat näher und betrachtete ihn. Erstens war er frisch geduscht und duftete nach einem herben Rasierwasser, das ich nicht kannte. Zweitens trug er statt Gummistiefeln, Cordhose, Karohemd und Lederweste einen grauen Anzug, der ihm schätzungsweise vor zwanzig Jahren gut gepasst hatte. Das hellblaue Hemd würde beim ersten tiefen Atemzug sämtliche Knöpfe abschießen, und die schwarz gepunktete Krawatte hatte etwas von einer Würgeschlange. Am meisten fiel mir jedoch das Fehlen der Schirmmütze auf. Papa wirkte ohne sie nackt und verletzlich, und seine kurzen Haare hatten sich nach einigen Jahrzehnten mit Mütze nicht so schnell umgewöhnen können. Sie wiesen trotz Dusche noch diesen speziellen Knick auf, den die Mütze seit Jahrzehnten dort einmodelliert hatte.
    »Sehr schick«, kommentierte mein Bruder, der seine Sprache wiedergefunden hatte. »Aber wo willst du denn nun hin?«
    Papa setzte sich hinter das Steuer seines alten Mercedes. »Nach Hamburg«, brummte er.
    Ich zählte eins und eins zusammen und wunderte mich trotzdem. Papa unternahm solche Weltreisen nur in äußersten Notfällen.
    »Nach Hamburg«, wiederholte Jan und stellte sich vor die Motorhaube. »Was willst du denn da?«
    »Das geht dich gar nichts an«, kam es zurück.
    Dieser Meinung war ich eigentlich auch. Aber Jan warf mir einen Hilfe suchenden Blick zu, und ich hatte plötzlich das Gefühl, dass er eine Katastrophe verhindern wollte. Das verstand ich zwar nicht ganz, überlegte jedoch blitzschnell, beugte mich dann zu Papa und gab ihm durch das Autofenster einen Kuss auf die Wange. »Wie schade. Ich hatte mich so gefreut, den Abend mit dir zu verbringen. Ich war doch so lange nicht mehr hier.«
    Papa sah mich an. »Ach, auf

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