Immer dieser Michel
sauste er los durch das Volksgedränge, um schnell seinen Vater zu finden. Er rannte hierhin und dorthin. Immer wilder rannte er umher und zog und zerrte an allen möglichen Bauern, weil er 60
dachte, sie wären sein Vater - von hinten sahen sie so aus. Aber wenn er sie umdrehte, dann war es jedesmal ein Wildfremder, niemals Anton Svensson von Katthult in Lönneberga.
Glaubt nun nicht, daß Michel deshalb aufgab! Da stand eine Fahnenstange auf der Viehkoppel, und schon kletterte Michel auf ihre Spitze. Alle konnten ihn sehen, und er schrie mit voller Kraft:
"Hallo, hallo, kennt jemand diesen Jungen hier oben? Sein Vater ist abhanden gekommen!"
Da sah er, daß unter ihm in dem Gewimmel der Bauern und Kühe und Pferde etwas geschah. Es entstand gleichsam eine Rinne durch das Gewoge, jemand kam im Galopp zur Fahnenstange, und das war kein anderer als sein Vater.
Anton Svensson schüttelte seinen Sohn von der Fahnenstange wie einen reifen Apfel aus dem Apfelbaum, und dann zog er ihn am Ohr.
"Lausebengel", sagte er, "wo warst du? Das erste, was du machst
- du läufst weg!"
Michel hatte keine Zeit, darauf zu antworten.
"Komm", sagte er, "da ist ein Pferd, das du sehen mußt!"
Ja, sicher sah Michels Vater das Pferd, aber es war bereits verkauft. Kann man sich so etwas Ärgerliches vorstellen? Michel und sein Vater kamen gerade zurecht, um zu sehen, wie der Pferdehändler drei Hunderterscheine aus der Brieftasche zog und sie dem Bauern in die Hand drückte.
Da weinte Michel.
"Das ist doch wohl ein freundliches Pferd?" fragte der Pferde händler.
"Ja, gewiß ist er freundlich", sagte der Bauer. Er blickte aber zur Seite, als er das sagte, und es sah aus, als ob er sich dazu etwas dachte.
"Er hat noch keine Hufeisen, sehe ich", sagte der Pferdehändler.
"Das werde ich erledigen, bevor ich nach Hause fahre."
Michel stand da und weinte, und er tat seinem Vater leid.
"Michel, weine doch nicht", sagte er und nickte entschlossen.
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"Wir kaufen eine Tüte Zuckerstangen - soll es kosten, was es will."
Er nahm Michel mit zum Markt, wo die Marktfrauen in ihren Bonbonständen saßen, und kaufte Michel für zehn Öre gestreifte Zuckerstangen. Aber dann traf er einen Lönneberga-bauern und fing an mit ihm zu reden und vergaß Michel darüber. Michel stand da, den Mund voller Zuckerstangen und die Augen voller Tränen, und dachte an das Pferd. Plötzlich sah er Alfred. Lina kam mit ihm daher. Er sah recht müde aus, der arme Alfred, und das war nicht verwunderlich, denn Lina hatte ihn - hin und zurück
- siebzehnmal am Juwelierladen vorbeigeführt und jedesmal versucht, ihn dort hineinzuziehen, damit er Verlobungsringe für sie kaufte.
"Wenn ich nicht mit beiden Füßen Widerstand geleistet hätte -wer weiß, wie es ausgegangen wäre", sagte Alfred glücklich. Er war natürlich froh, Michel zu sehen. Michel beeilte sich, ihm von dem Pferd zu erzählen, und sie standen beisammen und seufzten über das Pferd, das niemals nach Katthult kommen sollte. Nachher kaufte Alfred für Michel einen Tonkuckuck von dem Töpfer, der auf dem Markt stand und sie anbot.
"Das bekommst du als Jahrmarktsgabe von mir", sagte Alfred, und da fühlte es sich innen bei Michel, wo alles so traurig war, schon etwas freundlicher an.
"Jaja, tönerne Kuckucke kannst du kaufen", sagte Lina. "Übrigens
- wann kommt eigentlich dieser Komet? Ich finde, es wäre jetzt Zeit."
Ein Komet war noch nicht zu sehen. Es war ja auch erst kurz vor zwölf Uhr mittags, deshalb brauchte er sich noch nicht zu beeilen.
Alfred und Lina mußten jedenfalls nach Markus und Julia sehen und etwas essen - sie hatten einen Korb mit Essen unter der Bank im Wagen. Michel wäre gern mit ihnen gegangen, aber er wußte, daß er um zwölf Uhr bei Frau Petrell zu Mittag essen sollte, und er sah sich nach seinem Vater um. Und -glaubt es mir oder nicht -
sein Vater war wieder weg! Er hatte die Gelegenheit ergriffen und war verschwunden im Getümmel des Marktes zwischen all dem 62
Marktvolk, den Bonbonfrauen und Töpfern und Korbflechtern und Bürstenbindern und Baiionverkäufern und allen anderen Jahrmarktsleuten.
"Unglaublich, wie dieser Mensch immer abhanden kommen kann", sagte Michel. "Wenn ich das nächstemal in die Stadt fahre, muß er zu Hause bleiben, denn so etwas will ich nicht mehr mitmachen."
Michel war nicht mutlos, weil sein Vater verschwunden war. Er war schon früher in der Stadt gewesen und wußte ungefähr, wo Frau Petrell wohnte. Sie hatte irgendwo, in der
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