Immer dieser Michel
Schüssel mit Schlagsahne,
eine Schale mit Erdbeerkompott,
eine Schale mit Ingwerbirnen,
ein Krug mit Wacholderbier
und
ein kleines, im ganzen gebratenes Spanferkel, die Augen aus weißem Kandiszucker.
Das war alles, glaube ich. Ich kann nicht mehr als drei, höchstens vier, naja, sagen wir der Sicherheit halber fünf Sachen vergessen haben - sonst aber habe ich alles aufgezählt.
Da saßen sie nun, die Ärmsten der Armen aus Lönneberga, sehr geduldig saßen sie da um den Tisch herum, aber bei jeder Schüssel, die herbeigetragen wurde, waren sie zu Tränen gerührt.
Schließlich sagte Michel: "Seid so gut und haut nun rein!"
Wirklich, sie hieben hinein, das taten sie, und so, daß es zu hören war.
Alfred, Michel und Klein-Ida aßen auch. Ida konnte nicht mehr als ein paar Fleischklöße herunterbekommen, weil sie angefangen hatte zu denken. War das hier nicht doch etwa Unfug? Sie besann sich plötzlich, daß morgen, am dritten Weihnachtstag, die 94
Verwandten aus Ingatorp nach Katthult kommen wollten. Und hier wurde das Festessen von morgen schon heute aufgegessen.
Sie hörte, wie es um den Tisch herum knabberte und knackte und schlürfte und schmatzte. Es war, als hätte sich ein Heuschrecken-schwarm über die Schüsseln und Schalen und Krüge hergemacht.
Klein-Ida begriff: So aßen nur die, die richtig ausgehungert waren, aber es war trotzdem schrecklich. Sie zog Michel am Ärmel und flüsterte, damit niemand sonst es hören konnte:
"Bist du sicher, daß das hier kein Unfug ist? Denk daran, morgen kommen die aus Ingatorp!"
"Die sind sowieso schon satt", sagte Michel beruhigend. "Es ist doch wohl besser, das Essen kommt dort hinein, wo es Nutzen bringt."
Danach aber wurde er doch ein wenig besorgt, denn es sah aus, als würde nicht einmal ein halber Kloß übrigbleiben. Das, was nicht in die Münder gestopft wurde, verschwand in den Taschen und Beuteln. Im Nu waren die Schüsseln leer.
Jetzt habe ich großes Aufräumen mit den Schweinsrippen gemacht", sagte Kalle-Karo und kaute auf dem letzten Knochen herum.
"Und ich habe nun großes Aufräumen mit dem Heringssalat gemacht", sagte Lumpen-Fia.
"Großes Aufräumen" sagten sie, und das bedeutete, daß sie alles vertilgt hatten, so daß die Schüsseln jetzt leer waren.
"Nun haben wir großes Aufräumen mit allem gemacht", sagte Trödel-Niklas zum Schluß, und ein wahreres Wort hatte er nie gesprochen.
Deshalb wurde dieses Festessen später für alle Zeiten "Das große Aufräumen von Katthult" genannt, denn du mußt wissen, daß man davon noch lange, lange in Lönneberga und den anderen Gemeinden sprach.
Nur eines war noch übriggeblieben, und das war das knusprig gebratene Spanferkel. Es stand auf einem kleinen Tisch und glotzte wehmütig aus seinen Kandiszuckeraugen.
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"Hu, das Schwein sieht aus wie ein Gespenst", sagte Lumpen-Fia.
"An das traue ich mich nicht ran!"
Sie hatte nie zuvor ein im ganzen gebratenes Spanferkel gesehen, ebensowenig wie die anderen. Deshalb hatten sie so etwas wie Respekt vor diesem Ferkel und rührten es nicht an.
"Es ist wohl nicht irgendwo noch eine kleine Wurst übrig?" fragte Kalle-Karo, als alle Schüsseln geleert waren. Da aber sagte Michel, daß es auf ganz Katthult zu dieser Stunde nur noch eine einzige Wurst gäbe, und die stecke auf einem Stock draußen in seiner Wolfsgrube. Dort solle sie auch bleiben als Lockspeise für den Wolf, auf den er warte. Nein, die konnte Kalle-Karo nicht bekommen und ein anderer auch nicht.
Da stieß die Vibergsche einen Schrei aus.
"Salia Amalia!" schrie sie. "Die haben wir vergessen!"
Ratsuchend blickte sie umher, und ihre Augen blieben auf dem Spanferkel haften.
"Dann kann sie wohl das dort bekommen, die Amalia? Wenn es auch aussieht wie ein Gespenst. Oder was meinst du, Michel?"
Ja, ja, sicher - sicher kann sie es haben", sagte Michel mit einem Seufzer.
Nun waren sie alle so satt, daß sie sich kaum noch rühren konnten. Sich auf ihren eigenen Beinen ins Armenhaus zurückzuschleppen, war völlig unmöglich.
"Wir werden wohl den Holzschlitten nehmen müssen", sagte Michel.
Und so geschah es auch. Sie hatten in Katthult ein langes und großes Ungetüm von einem Holzschlitten, er wurde als Lastenschlitten benutzt. Auf dem Lastenschlitten konnte man so viele Armenhäusler befördern, wie man wollte, auch wenn sie diesmal etwas dicker waren als sonst.
Es war jetzt Abend, und am Himmel brannten die Sterne.
Vollmond war auch und überall Neuschnee und mildes,
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