Immer dieser Michel
weißt du, wie wundervoll still es ist, fast, als läge die ganze Welt im Schlaf. Dann kannst du dir auch vorstellen, wie entsetzlich es ist, wenn auf einmal durch diese Stille ein gräßlicher Schrei klingt. Da kamen nun Michel, Alfred und Ida, nichts Böses ahnend, das letzte Stück mit ihrem Schlitten herauf und hörten plötzlich von Michels Wolfsgrube her ein Schreien, das jedem das Blut in den Adern hätte erstarren lassen.
Klein-Ida wurde bleich, und in diesem Augenblick sehnte sie sich sehr nach ihrer Mutter. Michel aber nicht! Er machte vor Freude einen Luftsprung.
"Ein Wolf ist in meiner Grube!" schrie er. "Hurra, wo habe ich meine Busse?"
Das Schreien wurde schlimmer und schlimmer, je näher sie kamen. Es echote rund um ganz Lönneberga. Man hätte glauben können, der Wald sei voller Wölfe, die auf den Klageruf des gefangenen Wolfes antworteten.
Aber Alfred sagte: "Da ist so ein merkwürdiger Laut in dem Wolfsgeheul. Horch!"
Sie blieben ganz still im Mondlicht stehen und lauschten auf das fürchterliche Geheul des Wolfes.
"Hilfe, Hilfe, Hilfe!" jaulte er.
In MichelsAugen leuchtete es auf.
"Ein Werwolf", schrie er. "Nicht zu fassen - ein Werwolf!"
Mit ein paar Sprüngen war er vor den anderen an der^Grube. Da sah er, was für einen Wolf er gefangen hatte. Überhaupt keinen Werwolf, sondern nur diese elendige Maduskan aus dem Armenhaus! Michel wurde rasend - was hatte die in seiner Grube 99
zu suchen! Er wollte doch einen richtigen Wolf fangen. Aber dann dachte er nach. Vielleicht hatte es doch einen Sinn, daß die Maduskan in seine Wolfsgrube gestürzt war. Er überlegte, ob, man sie nicht vielleicht ein wenig zähmen könnte, damit sie etwas freundlicher wurde und nicht mehr so bösartig war. Ja, er dachte auch daran, ob man sie jetzt nicht Anstand lehren könnte, denn das mußte sie einmal lernen. Deshalb schrie er zu Alfred und Ida hinüber:
"Kommt her! Kommt, hier könnt ihr einmal ein richtiges Biest sehen!"
Und dann standen sie alle drei an der Grube und sahen hinunter auf die Maduskan, die in ihrem grauen Wolltuch beinahe Ähnlichkeit mit einem Wolf hatte.
"Bist du sicher, daß das ein Werwolf ist?" fragte Klein-Ida mit zitternder Stimme.
"Das kannst du glauben", sagte Michel. "Ein boshaftes altes Werwolfweibchen ist es, und das sind die gefährlichsten, die es gibt."
"Wirklich?" fragte Ida völlig verstört.
Ja, denn sie sind so gierig", sagte Alfred.
"Klar, sieh dir diese nur an", sagte Michel. "Die hat in ihrem Leben schon viel in sich hineingefressen. Aber nun ist Schluß damit. Alfred, gib mir meine Büchse!"
"Aber, aber, kleiner Michel, siehst du denn nicht, wer ich bin?"
Jetzt, da Michel von seinem Gewehr sprach, hatte die Maduskan Angst um ihr Leben. Sie wußte ja nicht, daß es nur ein Spielzeuggewehr war, das Alfred ihm geschnitzt hatte.
"Alfred, hast du gehört, was der Werwolf gesagt hat?" fragte Michel. "Ich habe nichts gehört!"
Alfred schüttelte den Kopf.
"Nein, ich habe auch nichts gehört."
"Ach, außerdem kümmere ich mich auch gar nicht darum", sagte Michel. "Gib mir meine Büchse, Alfred!"
Da schrie die Maduskan ganz verzweifelt: "Erkennt ihr denn nicht eine alte Bekannte?"
100
"Was sagt sie?" rief Michel. "Fragt sie nach ihrer Tante?"
Ja, aber die haben wir doch nicht gesehen", sagte Alfred.
"Nein, und ihre Großtante glücklicherweise auch nicht", sagte Michel. "Sonst hätten wir ja bald die Grube voll mit alten Werwölfen. Gib mir meine Büchse, Alfred!"
Da begann die Maduskan in der Grube zu kreischen.
Jetzt seid ihr abscheulich", schluchzte sie. "Was habt ihr denn bloß?"
"Was sagt sie?" fragte Michel. "Sie will einen Kloß?"
Ja, den will sie", sagte Alfred "Wir haben aber keinen."
"Nein, in ganz Smaland gibt es nicht einen einzigen Kloß mehr", sagte Michel. "Die hat doch alle die Maduskan in sich hineingestopft."
Jetzt jammerte sie dort unten in der Grube noch ärger als bisher, denn sie hatte nun begriffen, daß Michel wußte, wie schlecht sie sich gegenüber Stolle-Jocke und den anderen Armen verhalten hatte. Sie heulte so, daß sie Michel direkt leid tat, denn er hatte ja ein gutes Herz, der Junge. Wenn es aber besser werden sollte im Armenhaus, dann durfte man diese Maduskan nicht so leicht davonkommen lassen, und deshalb sagte er:
"Hör mal, Alfred, wenn man diesen Werwolf genauer ansieht -
glaubst du nicht, daß er irgendwie dieser Maduskan aus dem Armenhaus etwas ähnlich sieht?"
"Ach, niemals", sagte Alfred. "Die ist doch wohl
Weitere Kostenlose Bücher