Immer für dich da (German Edition)
hätte Kate am liebsten gesagt, aber ein solches Versprechen würde in Erinnerung bleiben.
William verdrehte die Augen und stieß seinen Bruder noch einmal an. »Das hat sie doch grade gesagt. Kriegen wir schulfrei, um dich im Krankenhaus zu besuchen?«
»Ja«, antwortete Kate und konnte endlich doch lächeln.
Lucas stürzte zu ihr, um sie als Erster umarmen zu können. »Ich hab dich lieb, Mommy«, flüsterte er.
Sie hielt ihn so lange fest, dass er sich schließlich freikämpfen musste. Darauf folgte William. Als auch er sich losgerissen hatte, drehten sie sich wie auf Kommando um und liefen zur Treppe.
»Wollt ihr nicht erst den Film zu Ende gucken?«, rief Kate ihnen nach.
»Nö«, sagte Lucas. »Wir gehen nach oben.«
Kate sah ihren Mann besorgt an. Der erhob sich bereits und fragte: »Wie wär’s mit einem kleinen Basketballspiel, Jungs?«
Begeistert stimmten sie zu, und alle drei gingen nach draußen.
Jetzt erst sah Kate Marah an.
»Es ist Krebs, stimmt’s?«, fragte Marah nach langem Schweigen.
»Ja.«
»Miss Murphy hatte letztes Jahr auch Krebs und ist jetzt wieder ganz gesund. Und Tante Georgia auch.«
»Genau.«
Marahs Lippen zitterten. Trotz ihrer Größe, ihrer Schminke und ihres coolen Gehabes wirkte sie plötzlich wieder wie ein kleines Mädchen, das Kate bat, die Nachttischlampe anzulassen. Sie trat sie zum Sofa. »Du wirst doch wieder gesund, oder?«
Stadium vier. Bereits gestreut. Spät entdeckt. Rasch verdrängte Kate diese Gedanken, sie taten ihr einfach nicht gut. Jetzt hieß es, ihren Optimismus zu bewahren.
»Ja. Die Ärzte sagen, da ich jung und gesund sei, hätte ich gute Chancen.«
Marah setzte sich aufs Sofa, legte den Kopf auf Kates Schoß und kuschelte sich an sie. »Ich sorge für dich, Mommy.«
Kate schloss die Augen und strich ihrer Tochter übers Haar. Ihr schien es, als sei es erst gestern gewesen, da sie sie im Arm gehalten und sanft gewiegt hatte, erst gestern, da sie sich in ihrem Schoß zusammengerollt und über den Tod ihres Goldfischs geweint hatte.
Bitte, lieber Gott, betete sie, lass mich noch erleben, dass wir eines Tages Freundinnen werden …
Sie schluckte hart. »Das weiß ich doch, Schatz.«
Die Mädels von der Firefly Lane.
In Kates Traum ist es 1974 ; sie ist wieder ein Teenager und radelt mit ihrer besten Freundin durch die Nacht, die so dunkel ist, dass man sich unsichtbar fühlt. Sie erinnert sich bis ins letzte Detail daran: die gewundene asphaltierte Straße, die von Gräben mit morastigem Wasser und Böschungen mit Stoppelgras gesäumt wird. Bevor sie sich kennenlernten, schien diese Straße nirgendwohin zu führen; es war nur eine Landstraße, benannt nach einem Insekt, das noch kein Mensch in diesem ländlichen, von Gras und Himmel dominierten Fleckchen Erde gesehen hatte.
Doch dann sahen sie es durch die Augen der jeweils anderen.
Lass los, Katie. Gott hasst Feiglinge.
Sie wachte abrupt auf und spürte Tränen auf den Wangen. Dann lag sie da und lauschte auf den Schneesturm, der draußen tobte. In der letzten Woche hatte sie die Fähigkeit verloren, sich vor ihren Erinnerungen abzuschotten. Viel zu oft kehrte sie jetzt in ihren Träumen in die Firefly Lane zurück, aber das war auch kein Wunder.
Beste Freundinnen, für immer.
Das war das Versprechen, das sie sich vor all den Jahren gegeben hatten, und sie glaubten daran. Sie glaubten, dass sie einst als alte Frauen zusammen in ihren Schaukelstühlen auf einer Veranda sitzen und lachend ihr Leben Revue passieren lassen würden.
Jetzt wusste sie es natürlich besser. Über ein Jahr lang hatte sie sich eingeredet, dass es kein Problem war, ohne ihre beste Freundin auszukommen. Manchmal hatte sie es sogar geglaubt.
Doch dann hörte sie wieder die Musik. Ihre Musik. Gestern, beim Einkaufen, hatte eine schlechte Berieselungsversion von »You’ve Got a Friend« sie zum Weinen gebracht, direkt vor den Radieschen.
Sie stand auf, achtete aber darauf, nicht ihren Mann zu wecken, der neben ihr schlief. Einen Augenblick lang verharrte sie in der Dunkelheit und starrte auf ihn herunter. Selbst im Schlaf wirkte er besorgt.
Sie nahm das Telefon und ging durch den stillen Flur bis zur Terrassentür. Dort starrte sie hinaus in den Sturm und nahm all ihren Mut zusammen. Als sie die vertrauten Ziffern drückte, fragte sie sich, wie sie anfangen sollte, was sie nach all den Monaten des Schweigens sagen würde. Ich hab eine schlimme Woche hinter mir … in meinem Leben bricht alles zusammen
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