Immer für dich da (German Edition)
Falten und die Tränensäcke unter ihren Augen noch deutlicher hervor. In diesem Licht wirkte sie müde und zehn Jahre älter als sonst; vielleicht sogar ein bisschen betrunken. »Haben Sie einen Freund?«
»Bei meiner spärlichen Freizeit?« Tully lachte und schenkte sich noch einen Tequila ein. »Wohl kaum.«
»Ja, genau«, sagte Edna. »Die Geschichte meines Lebens.«
»Bedauern Sie es?«, fragte Tully. Normalerweise hätte sie eine derart persönliche Frage niemals gestellt, aber für eine kurze Zeitspanne hatte der Tequila die Grenzen zwischen ihnen verwischt, und Tully konnte sich mit ihr wie unter Kollegen unterhalten. »Ich meine, dass dies hier Ihr Leben bestimmt?«
»Jedenfalls hat es seinen Preis. Zumindest für meine Generation, da ließen sich Arbeit und Ehe nicht vereinbaren. Man konnte schon heiraten – ich persönlich habe dreimal geheiratet –, aber eine Ehe konnte man nicht führen. Und Kinder kriegen schon gar nicht. Wenn eine Story rief, musste ich los, Punktum. Nicht mal ein Anlass wie die Hochzeit meiner Kinder hätte mich aufgehalten. Also bin ich allein geblieben.« Sie sah Tully an. »Und es hat mir gefallen. Jede gottverdammte einzelne Sekunde. Was soll’s, wenn ich irgendwann einsam und verlassen in einem Altersheim sterbe. Mein ganzes Leben war ich da, wo ich sein wollte, und habe etwas Bedeutsames getan.«
Tully fühlte sich, als würde sie in einem Glauben getauft, dem sie schon immer angehört hatte. »Amen.«
»So, und was genau wissen Sie über Südafrika?«
Kapitel 20
D ie ersten zwölf Monate als Mutter waren für Kate wie ein tiefes dunkles Meer, dessen Strömungen sie nur zu oft unter Wasser zogen.
Es war schon peinlich, wie unvorbereitet sie auf diesen gesegneten Zustand war, von dem sie seit ihrer Jugend heimlich geträumt hatte. So peinlich, dass sie niemandem erzählte, wie überwältigt sie sich oft fühlte. Wenn man sie fragte, lächelte sie immer strahlend und behauptete, das Mutterdasein sei das Beste, was ihr je passiert sei. Das entsprach auch der Wahrheit.
Aber nicht immer.
Die Wahrheit war, dass ihre hinreißende Tochter sie ständig auf Trab hielt. Seit ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus war Marah andauernd krank. Eine Mittelohrentzündung folgte der nächsten. Dazu quälten sie die Koliken so, dass sie stundenlang unaufhörlich schrie. Kate wusste schon nicht mehr, wie oft sie nachts mit ihrer hochroten, kreischenden Tochter auf dem Arm im Wohnzimmer gestanden und selbst leise geweint hatte.
In drei Tagen nun wurde Marah ein Jahr alt, dennoch schlief sie immer noch nicht durch. Bislang waren vier Stunden am Stück der Rekord. Daher hatte auch Kate in den letzten zwölf Monaten nicht einmal durchgeschlafen. Zwar hatte Johnny ihr angeboten, die Nachtwache für sie zu übernehmen, und war ganz am Anfang sogar so weit gekommen, die Decke zurückzuschlagen, doch Kate hatte ihn immer aufgehalten. Nicht dass sie die Märtyrerin spielen wollte, sosehr sie sich auch oft so vorkam – nein, Johnny hatte einen Job, so einfach war das.
Kate hatte ihren Job aufgegeben, um sich ganz dem Kind zu widmen. Und dazu gehörte, dass sie sich auch nachts darum kümmerte. Am Anfang hatte sie es noch gern getan, zumindest mit einem Lächeln. Aber später, als Marah ihren ersten Schrei gegen elf Uhr abends tat, hatte Kate sich dabei ertappt, dass sie um Kraft betete.
Es gab auch andere Probleme. Zum Beispiel sah sie grauenhaft aus. Sie war sich ziemlich sicher, dass dies auf die Schlaflosigkeit zurückzuführen war. Ihre ohnehin schon blasse Haut war in letzter Zeit vampirsbleich, bis auf die Schatten unter den Augen, die einen aparten Braunton hatten. Zwar hatte sie bis auf fünf Kilo all ihre Schwangerschaftspfunde wieder verloren, aber wenn man nur knapp eins sechzig groß war, bedeuteten fünf Kilo zwei Kleidergrößen. Daher trug sie seit fast einem Jahr nur noch Jogginganzüge.
Sie musste wieder Sport treiben. In der Woche zuvor hatte sie ihr altes Jane-Fonda-Video, ihren Gymnastikanzug und die Wollstulpen herausgesucht. Jetzt musste sie nur noch das Video abspielen und loslegen.
»Heute geht’s los«, verkündete sie, als sie ihre Tochter wieder ins Bett brachte und sie behutsam mit der Kaschmirdecke zudeckte. Sie war ein Geschenk von Tully und so unglaublich weich, dass Marah nur mit ihr einschlafen wollte. »Versuch mal, bis sieben zu schlafen. Mommy könnte es brauchen.«
Gähnend ging Kate zurück ins Bett und schmiegte sich an ihren Mann. Er küsste
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