Immer für dich da (German Edition)
sehen.
Ihre Haare waren strähnig und zu lang. Die dunkelblonden Ansätze zeigten, wie lange sie nicht mehr beim Friseur gewesen war. Sie hatte große Tränensäcke, und ihr Busen hätte für zwei Frauen gereicht.
Kein Wunder, dass sie sich sonst von allem fernhielt, was spiegelte. Seufzend putzte sie sich die Zähne. Noch bevor sie fertig war, spürte sie, dass Marah aufwachte.
Sie drehte den Wasserhahn zu und öffnete die Tür.
Ja, Marah weinte.
Kates Tag hatte begonnen.
Als der Tag kam, fragte sich Kate, welcher Teufel sie geritten hatte, eine derart große Geburtstagsparty für ihre Tochter zu veranstalten. Nach einer weiteren schlaflosen Nacht stand sie frühmorgens auf, brachte die letzten Verzierungen an dem rosafarbenen Barbiekuchen an und packte noch ein paar Geschenke ein. In einem Anfall von Wahnsinn hatte sie alle Kinder aus Marahs Krabbelgruppe eingeladen, außerdem ihre Eltern und dazu noch zwei frühere Kommilitoninnen, die Töchter im gleichen Alter hatten. Als alle gleichzeitig mit ihren Geschenken eintrafen, bekam Kate Kopfschmerzen. Dass Marah genau in diesem Augenblick anfing zu brüllen, machte die Sache nicht besser.
Trotzdem nahm das Fest seinen Lauf, und all die Frauen und Kinder auf dem Wohnzimmerboden machten mehr Lärm als Sherman beim Atlanta-Feldzug.
»Ich hab Tully neulich in den Frühnachrichten gesehen«, erzählte Mary Kay. »Ich war wegen Danny wach.«
»Ich war auch wach«, sagte Charlotte. »Sie sah einfach großartig aus, fandet ihr nicht?«
»Das liegt nur daran, dass sie die Nächte durchschlafen kann«, entgegnete Vicki. »Und keine Kotze auf den Klamotten hat.«
Kate hätte sich nur zu gerne an der Unterhaltung beteiligt, doch ihre Kopfschmerzen brachten sie um, und sie hatte das unangenehme Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Es war so ausgeprägt, dass sie Johnny fast angefleht hätte zu bleiben, als er kurz nach eins zur Arbeit aufbrach.
»Du warst heute sehr still«, bemerkte ihre Mutter, als die letzten Gäste gingen.
»Marah hat letzte Nacht wieder nicht geschlafen.«
»Sie schläft nie durch, und weißt du auch, warum?«
»Ich weiß, ich weiß, weil ich sie nicht weinen lasse.« Kate warf die letzten Papierteller in den Mülleimer. »Ich bringe es einfach nicht über mich.«
Kate lehnte sich an ihre Mutter, die ihr übers Haar strich. Diese sanfte, tröstende Berührung versetzte sie ein paar Jahrzehnte zurück. »Weißt du noch, als ich Astronautin werden wollte und du sagtest, unsere Generation könne sich glücklich schätzen, weil wir gleichzeitig Mann und Kinder haben und trotzdem zum Mond fliegen könnten? Was für ein Quatsch!« Sie seufzte. »Eine gute Mutter zu sein ist so schwer.«
»Es ist immer schwer, gut zu sein, ganz gleich in welchem Bereich.«
»Amen«, bestätigte Kate. Die Wahrheit war, dass sie ihre Tochter so sehr liebte, dass es fast schon schmerzte, doch die Verantwortung war einfach überwältigend und die Anforderungen laugten sie völlig aus.
»Ich weiß, wie müde du bist. Aber es wird besser, versprochen.«
Kaum hatte ihre Mutter dies gesagt, kam ihr Vater ins Zimmer. Er hatte den größten Teil der Party im Familienzimmer verbracht und sich eine Sportsendung nach der anderen angesehen. »Wir brechen jetzt besser auf, Margie. Ich möchte nicht in den Stau kommen. Machst du Marah fertig?«
Kate verspürte einen Anflug von Panik. War sie wirklich schon bereit, eine Nacht getrennt von ihrer Tochter zu verbringen? »Ich weiß nicht, Mom.«
»Dein Vater und ich haben zwei Kinder aufgezogen. Da werden wir doch für eine Nacht auf unsere Enkelin aufpassen können. Geh mit deinem Mann aus. Geht tanzen und amüsiert euch. Marah ist bei uns gut aufgehoben.«
Kate wusste, dass ihre Mutter recht hatte, wusste sogar, dass es notwendig war. Warum nur zog sich alles in ihr zusammen?
»Du hast noch das ganze Leben Zeit, Angst zu haben«, sagte ihr Dad. »Das macht das Elterndasein aus. Also stell dich drauf ein, Schatz.«
Kate versuchte vergeblich, zu lächeln. »Ach ja? So habt ihr euch die ganze Zeit gefühlt?«
»So fühlen wir uns immer noch«, erwiderte der Vater. Ihre Mutter nahm sie bei der Hand. »Komm, lass uns Marahs Sachen packen. Johnny kommt dich in ein paar Stunden abholen.«
Als Kate ihre Tochter ein letztes Mal auf den Arm nahm und ihre weiche Wange küsste, hatte sie Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Es war lächerlich, peinlich und unvermeidbar, denn ganz gleich, wie sehr das Mutterdasein ihr zusetzte und
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