Immer hab ich dich geliebt
immer noch ein wenig weh.”
“Natürlich tut es das. Verzeih uns”, sagte Jessica mit sanfter Stimme. “Wirst du Weihnachten hier sein?”
“Ich werde es versuchen.”
Sie trug ihren kleinen Koffer nach draußen zum Wagen und umarmte ihre Mutter ein letztes Mal, bevor sie neben ihren Vater auf den Sitz glitt. Der Weg zum Busbahnhof war nur kurz.
Es war frühmorgens, aber schon drückend heiß. Antonia stieg aus dem Wagen, nahm ihren Koffer heraus und wartete auf ihren Vater, der im Depot das Ticket für sie holte. Durch die Glastür konnte sie sehen, dass eine Schlange vor dem Schalter anstand. So lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf die Straße und erstarrte, als sie eine bekannte Gestalt in ihre Richtung kommen sah. Ein Gespenst aus der Vergangenheit.
Er war noch immer hochgewachsen und dunkel, genau so wie sie ihn in Erinnerung hatte. Sein Anzug war von besserer Qualität als der, den er getragen hatte, während sie mit ihm ging. Er hatte deutlich abgenommen. Aber er war noch immer derselbe Powell Long.
Antonia hatte alles an ihn verloren, außer ihren Stolz. Den Stolz hatte sie noch immer, und sie zwang sich, Powell voll anzusehen. Mit ausholendem, geschmeidigem Gang, der ihm so eigen war, kam er auf sie zu. Sie würde es nicht zulassen, dass er bemerkte, wie sehr sein Misstrauen ihr wehgetan hatte und es immer noch tat.
Sein Gesicht drückte nichts davon aus, was er fühlte oder dachte. Er blieb stehen, als er sie erreichte, und warf einen Blick auf den Koffer.
“Sieh an, sieh an”, sagte er gedehnt. “Ich habe schon gehört, dass du hier bist. Das Küken kam, um sich zu rächen, nicht wahr?”
“Ich kam nicht, um zu bleiben”, entgegnete Antonia kühl. “Ich habe meine Eltern besucht und bin jetzt auf dem Wege nach Arizona, zurück zur Uni.”
“Mit dem Bus?” Es klang spöttisch. “Konnte dein alter Knacker sich kein Flugticket für dich leisten? Oder hatte er dich im Stich gelassen, als er sich nach Frankreich absetzte?”
Antonia kickte ihn gegen das Schienbein. Es geschah nicht vorsätzlich, und Powell wirkte genauso schockiert wie sie. Er bückte sich instinktiv, um die schmerzende Stelle zu reiben.
“Ich wünschte, ich hätte Kampfstiefel an, die mit Stahlkappe”, sagte sie heftig. “Und wenn du auch nur noch einmal mit mir sprichst, Powell Long, breche ich dir das Bein!”
Sie fegte an ihm vorbei und marschierte zum Bussteig.
Ihr Vater hatte gerade das Ticket bezahlt und sich vom Schalter abgewandt, als die Szene sich draußen abspielte. Doch noch bevor er aus der Tür war, war Powell davongehumpelt.
“Ich hoffe sehr, du hast ihn zum Krüppel gemacht”, stieß Ben Hayes wütend hervor.
Antonia brachte ein schwaches Lächeln zustande. “So viel Glück hatte ich nicht. Jemanden, der so gemein ist, kann man nicht verwunden.”
“Hier, Mädchen, der Bus kommt”, sagte ihr Vater und war froh, dass offensichtlich keiner in ihrer Umgebung die Szene mitbekommen hatte. Das hätten sie gerade noch gebraucht … mehr Gerede.
Antonia umarmte ihren Vater und bestieg den Bus. Es drängte sie, die Straße noch einmal hinunterzublicken, um zu sehen, ob Powell noch immer humpelte. Aber sie zwang sich, es nicht zu tun. Sobald der Bus aus dem Bahnhof fuhr, schloss sie die Augen und verbrachte die ganze Fahrt damit, den Schmerz zu unterdrücken, der sie beim unerwarteten Wiedersehen mit Powell von neuem mit aller Macht überfallen hatte.
1. KAPITEL
“D as ist sehr gut, Martin, aber du hast etwas ausgelassen, siehst du?”, flüsterte Antonia dem Jungen zu. Martin war sehr scheu, sogar für einen Neunjährigen, und sie wollte ihn nicht vor der Klasse blamieren. “Die geheime Waffe, die die Griechen im Kampf gebrauchten … eine militärische Formation?”
“Geheime Waffe”, murmelte er und überlegte. Dann leuchteten seine dunklen Augen auf, und er grinste. “Die Phalanx!”, sagte er.
“Ja.” Sie nickte ihm zu. “Sehr gut!”
Er strahlte und beugte sich wieder über die Klassenarbeit.
Antonia warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war ihre letzte Klasse für den Tag und für die Woche. “Macht jetzt Schluss. Und, Jack, sammle die Arbeiten ein. Mary, schließ die Fenster, bitte.”
Die Schulglocke ertönte, und Antonia lächelte ihren Schülern zu, die an ihr vorbei aus der Klasse marschierten. Während sie die Arbeiten in ihre Mappe steckte, fragte sie sich, ob ihr Vater Weihnachten zu ihr kommen würde. Es war für sie beide einsam geworden, seit dem Tod ihrer Mutter
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