Immer hab ich dich geliebt
einer breiten Eisdecke von einer Seite zur anderen, und fast wäre Antonia in einem Graben gelandet. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, um sich zu bedanken, dass sie noch einmal davongekommen war, und bog in die Hauptstraße von Bighorn ein. Sie fuhr an der Kirche und dem Postamt und dem Supermarkt vorbei zu dem großen Haus ihres Vaters im viktorianischen Stil. Sie parkte in der Einfahrt unter einem riesigen Cottonbaum. Wie schön, Weihnachten zu Hause zu sein!
Durch das große Fenster hindurch sah sie den geschmückten Christbaum, glitzernd von all den Lichtern und Ornamenten, die in den vergangenen Jahren mit so viel Liebe erworben worden waren. Antonia entdeckte das kleine Reh aus Kristall und erinnerte sich schmerzhaft daran, dass Powell es ihr an jenem Weihnachtsfest geschenkt hatte, als sie sich verlobten. Sie hatte vorgehabt, es wegzuwerfen, hatte es aber nicht fertiggebracht. Das winzige Ding war so hübsch, so zerbrechlich … wie ihre zerstörte Beziehung. Vor so langer Zeit.
Ihr Vater kam in Bademantel und Pyjama schniefend und hustend zur Tür.
Er umarmte sie und sagte mit rauer Stimme: “Ich bin so froh, Mädchen, dass du gekommen bist. Ich fühle mich schon viel besser. Aber der verdammte Doktor ließ mich nicht fliegen!”
“Und er hatte recht”, erwiderte sie. “Du brauchst keine Lungenentzündung.”
Er lächelte breit. “Wohl kaum. Kannst du bis Neujahr bleiben?”
Antonia schüttelte den Kopf. “Tut mir leid. Ich muss gleich nach Weihnachten zurück.” Sie erwähnte nicht, dass sie einen Termin beim Arzt hatte. Sie wollte ihren Vater nicht beunruhigen.
“Nun, du wirst eine Woche hier sein, und damit sollte ich mich zufriedengeben. Übrigens, Dawson sagte, dass er vielleicht am Abend vorbeikommen würde.” Antonia sah ihren Vater überrascht an, und er setzte hinzu: “Er war in Europa, zu einem Kongress.”
“Ich muss immer wieder daran denken, dass er das Gerede über mich und seinen Vater nie geglaubt hatte”, sagte sie ein wenig wehmütig.
“Er kannte eben seinen Vater gut”, erwiderte Ben schlicht.
“George war ein wunderbarer Mann. Kein Wunder, dass du und er so lange Freunde wart.”
“Ich vermisse ihn. Ich vermisse auch deine Mutter. Sie war neben dir für mich der wichtigste Mensch in meinem Leben.”
“Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben”, sagte Antonia lächelnd. “Es ist gut, zu Hause zu sein.”
“Hast du noch immer Freude am Lehrerberuf?”
“Ja, sehr.”
“Es gibt einige gute Schulen hier”, bemerkte er. “Und sie suchen immer nach Lehrern.” Er blickte sie erwartungsvoll an. “Du würdest nicht etwa in Betracht ziehen …”
“Ich bin gern in Tucson”, fiel Antonia ihm ins Wort.
“Das nehme ich dir nicht ab”, murmelte er. “Es ist Powell, nicht wahr? Dieser Idiot, hört auf eine solch schusselige Frau! Nun, er musste dafür bezahlen. Sie hat ihm das Leben zur Hölle gemacht.”
“Soll ich uns einen Kaffee machen?”, fragte Antonia, um das Thema zu wechseln.
“Oh, das wäre nett. Mrs. Harper brachte auch einen Topf Suppe herüber.”
“Lebt sie immer noch in dem Haus nebenan?”
“Ja”, antwortete Ben mit einem vergnügten Lächeln. “Und sie ist auch Witwe. Kein Grund also nachzuhaken, warum sie die Suppe brachte, oder?”
“Ich mag Mrs. Harper”, sagte Antonia und lächelte zurück. “Mutter und sie waren gute Freunde, und irgendwie gehört sie zur Familie. Das nur, falls du dich gefragt hast, was ich so denke”, fügte sie hinzu.
“Es ist erst ein Jahr her, Mädchen”, sagte er, und seine Augen blickten traurig.
“Mutter liebte dich zu sehr, um zu wollen, dass du allein durchs Leben gehst”, erwiderte Antonia. “Sie würde es nicht wünschen, dass du ihr für immer nachtrauerst.”
Er zuckte die Schultern. “Ich trauere so lange, wie es mir passt.”
“Nun gut. Ich ziehe mich erst einmal um, und dann schaue ich nach der Suppe.”
“Wie geht es Barrie?”, fragte ihr Vater, nachdem Antonia in Jeans und Sweatshirt aus dem Badezimmer kam.
“Es geht ihr gut. Munter wie eh und je.”
“Warum hast du sie nicht mitgebracht?”
“Weil ihr augenblicklicher Freund es nicht zulässt”, antwortete Antonia lachend und stellte den Topf mit der Suppe auf die Herdplatte.
“Dawson wird nicht ewig warten.”
Sie blickte ihren Vater überrascht an. “Denkst du das auch? Barrie spricht nicht von ihm.”
“Er spricht auch nicht von ihr.”
“Was hat es denn eigentlich mit dem Gerücht über ihn
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