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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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aus.
    »Mit einem Mann?«, fragte Stiesel.
    »Sí«, sagte Gutierrez.
    »Hat sie ihn in der HdK getroffen?«, fragte Stiesel.
    »Sí.«
    »Hatten die beiden miteinander Sex?«
    »Sí.«
    »Hat Melanie etwas über den Mann gesagt.«
    »Er war ein lausiger Fick«, sagte die Dolmetscherin. »Das hat Melanie gesagt. Er war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wie es Melanie ging, war ihm egal. Und was besonders schlimm war: Er hat geglaubt, er wäre in Melanie verknallt. Das sind die Schlimmsten, die sich das einreden, bloß um dich mit einem guten Gewissen flachzulegen. Und als Nächstes wollen sie dir einreden,
du
wärst auch in sie verliebt.«
    »Warum hat sie mit ihm geschlafen, wenn er so ein lausiger Fick war?«
    »Hinterher ist man immer schlauer. Melanie hatte Lust auf so etwas. Am See, ein fremder Mann. Manchmal hat man Glück, manchmal erwischt man eine Niete.«
    »Hat sie den Mann beschrieben?«
    »Er gehörte zu einer der Theatergruppen. Und er hatte einen Akzent. Er war ein …« Die Dolmetscherin musste nachfragen.
    »Er war ein Rucola.«
    Stiesel kratzte sich am Kopf. »Sie meinen, er hat gerne Rucola gegessen? Diese Bonbons?« Dann würde Bördensen auch als Mörder in Frage gekommen. Stiesel griff in seine Schreibtischschublade und hielt einen Bonbon in die Höhe. »Rucola?«, fragte er.
    »Sí«, sagte Olivia Gutierrez. Und dann folgten wieder einige rasend schnelle Sätze.
    »Nein«, sagte die Dolmetscherin. »Er hat die Bonbons nicht gegessen, er
war
ein Rucola. Das war der Spitzname für Touristen aus der Schweiz in dem Pub, wo Melanie gearbeitet hat. Amerikaner waren Yankees, Österreicher waren Strudel.«
    »Welchen Spitznamen hatten die Mexikaner?«, fragte Stiesel.
    »Las Cucarachas.« Olivia Gutierrez lachte.
    Der Botschaftsmitarbeiter räusperte sich.
    »Sind Sie sicher, dass der Mann, den Melanie traf, Schweizer war?«
    »Nein«, sagte die Dolmetscherin, »er hat nur so gesprochen. Der Dialekt. Und er kam aus dem Süden.«
    »Wann haben Sie erfahren, dass Melanie tot ist?«
    »Als ich in Mexiko ankam«, sagte die Dolmetscherin, »habe ich an das Wohnheim geschrieben und erklärt, dass sie mein Zimmer vermieten können. Da hat der Besitzer mir geantwortet, dass Melanie tot ist.«
    »Haben Sie mit der deutschen Polizei Kontakt aufgenommen über das letzte Gespräch mit Melanie?«, fragte Stiesel.
    »Deutsche Polizei«, sagte die Dolmetscherin. »Nie wieder.«
    Zabriskie stapfte langsam die Treppe nach oben. Sie war todmüde, der Fischgestank hing ihr in der Nase, und sie hatte schrecklichen Durst.
    Sie stand vor ihrer Tür und suchte den Schlüssel, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. »Bist du Zabriskie? Ich bin Conny«, sagte eine weibliche Stimme.
    Zabriskie fuhr herum. Auf dem Treppenabsatz saß eine blonde Frau in Nietenjeans und einem rosa Sweatshirt. Über ihrer Schulter hing eine große rosa Handtasche mit einem Hello-Kitty-Logo.
    Zu ihren Füßen stand ein großer Hardcase-Trolley, die Außenhaut aus rotem Lack. Am Griff hing der Flughafencode TXL.
    »Ach, du bist schon da«, sagte Zabriskie matt. »Willst du nicht reinkommen und dir deine zukünftige Wohnung anschauen.«
    »Äußerst gerne. Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen.«
    Zabriskie sperrte auf und machte Licht. »Fühl dich ganz wie zu Hause.«
    Conny spazierte an ihr vorbei in die Diele und sah sich nach allen Seiten um.
    Wenn ich dich jetzt erwürge, bin ich nach neun Jahren wegen guter Führung wieder draußen
, dachte Zabriskie. Sie ging voraus und machte Licht im Wohnzimmer.
    »Das ist das Zimmer?«, fragte Conny. »Das ist ja riesig.«
    »Es ist eines von drei Zimmern. Es ist eine Dreizimmerwohnung. Das hat dir dein Vater doch sicherlich gesagt.«
    Conny nickte und sah aus dem Fenster, sagte aber nichts.
    Ich könnte dich auch mit einem Bildband erschlagen
, dachte Zabriskie. Sie öffnete die angelehnte Flügeltür. »Und hier, das Schlafzimmer.«
    Conny riss die Augen auf. »Du hast ein Bett mit einem Metallrahmen.«
    Zabriskie räusperte sich. »Ja, das ist sehr praktisch, wenn man mal etwas anketten möchte. Ein Fahrrad zum Beispiel.«
Oder ich ersticke dich mit einem Kissen
.
    Als sie im Bad die große Badewanne entdeckte, sagte Conny: »Die reicht ja für drei Leute.«
    »Du sagst es«, sagte Zabriskie.
Den Kopf unter Wasser halten, das dauert keine zwei Minuten. Das merkst du gar nicht
.
    Schließlich standen sie wieder in der Diele. Conny drehte sich um. »Ich will die Wohnung nicht«, sagte sie.

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