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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Zuhause. Pachulke hat gesagt, ich kann hier auf dem Dach zelten, wenn ich möchte.« Er deutete auf die Heuballen. »Ich verlege gerade Kunstrasen, damit es ein bisschen gemütlicher wird.«
    »Und das hier ist dein Zelt?« Zabriskie deutete mit der Fußspitze auf einen prall gefüllten kleinen Beutel aus wasserabweisendem Material.
    Dorfner nickte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er trug ein schwarzes Tanktop, Shorts im Camouflage-Design. Auch seine mächtigen Schultern glänzten unter einem Schweißfilm. Zabriskie verscheuchte den Gedanken an ihren Traum sehr schnell. Und verdammt, es war ein Alptraum gewesen.
    »Es ist ein Thermozelt. Das Standardzelt der finnischen Spezialeinheiten. Ein Huukipakki. Tausendsiebenhundert Gramm schwer, eine sichere Unterkunft für bis zu minus fünfundzwanzig Grad und Windstärke zehn.«
    »Und du willst allen Ernstes Heringe ins Dach schlagen? Es tropft doch so schon an den Schweißnähten.«
    Dorfner warf Zabriskie einen Blick von der Seite zu, der wohl Mitleid zum Ausdruck bringen sollte. »Ich weiß ja, dass du mich für einen Volltrottel hältst, aber nein, ich werde keine Löcher ins Dach hauen.« Er griff in seine Sporttasche und holte mit einer Hand eine Zehn-Kilo-Standardscheibe für die Freihantel heraus. »Durch die Gewichte ziehe ich die Zeltschnur durch, das ist sicherer als jeder Hering.«
    »Und dein Trainingsprogramm? Dein Weg zu dir selbst? Ist der Bizeps nicht der Sitz der Seele bei Leuten wie dir?«
    Wieder dieser Blick. Den hatte er wohl vor dem Spiegel geübt.
    »Ich bin panmuskulär, falls dir das etwas sagt. Meine Seele ist in jedem meiner Muskeln zu Hause. Drüben im Haupthaus gibt es ein sehr gut ausgestattetes Fitnessstudio. Ich werde dort jeden Tag von fünf bis sieben trainieren. Im Winter hacke ich mir ein Eisloch in den Swimmingpool und frische mich ab. Danach nehme ich das Frühstück mit Pemmikan und Rührei in der Apsis meines Huukipakki zu mir. Das Einzige, was mir im Fitnessstudio fehlen wird, ist der Sandsack mit deinem Foto.«
    Zabriskie lief rot an. »Du hast einen Sandsack mit einem Foto von mir? Und dann prügelst du auf mich ein?«
    Dorfner räusperte sich. »Die moderne Trainingspsychologie geht eigene Wege. Ja, du motivierst mich, Zabriskie, du bringst mich dazu, alles aus mir herauszuholen, mein Bestes zu geben, präzise und mit berserkerhafter Gewalt meinen Sandsack mit beiden Fäusten zu bearbeiten, bis ich schweißgetränkt und erschöpft über dir zusammenbreche.«
    »Danke, das reicht, Dorfner. Das war das erste und hoffentlich letzte Kompliment, das du mir gemacht hast.«
    »Und dann stelle ich mir vor, dass du mir den Schweiß vom Bizeps leckst«, sagte Dorfner. »Ich wundere mich, dass du nicht längst schon einmal schwach geworden bist.«
    »Abwegig, pervers und widerlich.« Zabriskie spürte, wie sie noch etwas röter wurde.
    »Zabriskie, entweder du hilfst mir mit dem Rollrasen oder du ziehst Leine. Ich teile mit dir die intimsten Geheimnisse meiner professionellen Selbstoptimierung und du …«
    »Ach, halt’s Maul.« Zabriskie griff sich eine Rasenbahn. Sie hob die Augenbrauen. »Hellgrau, das sieht ja sehr seriös aus.«
    »War ein Restposten. Als Obdachloser darf man nicht wählerisch sein. Außerdem ist er schwer entflammbar entsprechend der Brandschutzbestimmungen nach B 1. Ich will ja auch grillen hier.«
    Eine Etage tiefer saß Pachulke in seinem Büro und lauschte den Probedigitalisierungen vom Ostbahnhof. Die Aufnahme des Haydn-Streichquartetts Nr. 36 in B-Dur, op. 50, Nr. 1, Hoboken Nr. 44, das erste der Preußischen Quartette, war so klar und präzise, er hätte den Dreck unter den Fingern des Cellisten sehen können, wenn da welcher gewesen wäre. Aber da, die zweite Violine, der hatte seine Schuhe nicht geputzt. Pachulke konnte die ungeputzten Schuhe hören, es war unglaublich. Er hörte alles, einfach alles. Keuchend setzte er die Kopfhörer ab. Er musste sich von dieser Informationsflut erst mal erholen. Dann setzte er die Kopfhörer wieder auf. Da, dieses Knacken, das war ein Sandkorn von seinem Urlaub auf Teneriffa vor drei Jahren. In der Woche danach hatte er diese Platte gekauft, leicht sonnenverbrannt war er über den Flohmarkt geschlichen. Der Keller, das kleine Restaurant mit den überteuerten Tapas. Die Frau aus Wanne-Eickel, die am Nebentisch schrill gelacht hatte, alles war in diesem Knacken zu hören, den das Sandkorn verursachte. Erstaunlich, was die neue Aufnahmetechnik

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