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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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anderen Ende klang vollkommen gelangweilt.
    »So gewohnt? Ja, klar. Hinterhaus eben. Wenig Verkehrslärm, wenig Licht, man hört, wenn der Nachbar früh um sechs Uhr Altglas entsorgt. Kein Problem für mich.«
    »Ich fürchte, hier liegt ein Missverständnis vor.« Der Majordomus räusperte sich. »Uns ist natürlich bekannt, dass HH üblicherweise für Hinterhaus steht, aber in unserem Bezirk gibt es keine Hinterhäuser. HH steht für Hundehütte. Freifi Edler vom Busch ist die Dänische Dogge von Herrn Dr. Schneider. Ein sehr sensibles Tier, das viel menschliche Zuwendung braucht, vor allem nachts.«
    »Sie vermieten eine Hundehütte?« Dorfner fuhr sich durch die Haare. »Mit einer Dogge?«
    »Vierzehn Quadratmeter kriegt man nicht geschenkt. Und wir vermieten zur Mit-be-nutz-ung, Freifi braucht sein eigenes Dach über dem Kopf.«
    »Für vierhundert Euro?«
    »Da ist wohl das soziale Gewissen mit Herrn Dr. Schneider durchgegangen. Aber diese pausenlose Hetze gegen Besserverdiener hat Spuren hinterlassen, um nicht zu sagen, Wunden geschlagen.«
    »Ich werde mir das noch einmal in Ruhe überlegen.« Dorfner biss sich auf die Unterlippe. »Für einen Mops habe ich praktisch schon eine Zusage.«
    »Von Möpsen kann ich nur abraten, die schnarchen. Auf Wiederhören.«
    Dorfner starrte auf sein Handy. Das war ja Krieg auf diesem Wohnungsmarkt. Vierhundert Steine im Monat für den nächtlichen Körperkontakt mit einer Dänischen Dogge. Alter Verwalter. Er warf einen Blick auf das Antigen-Büro. Ob er das melden sollte, anonym natürlich. Das war doch Wucher. Aber Wucher hing von der üblichen Vergleichsmiete ab. Was war denn ein fairer Preis für die Mitbenutzung einer Hundehütte?
    Dorfner biss in sein Sandwich. Es war gut, das musste man dem Laden lassen. Nur viel zu klein.
    Drei Sandwiches und drei schwarze Kaffees später war es dunkel geworden. Die blonde Frau, mit der Dorfner und Zabriskie im Antigen-Büro geredet hatten, hatte um neunzehn Uhr das Licht ausgemacht, hatte abgesperrt und war gegangen. Immer mehr Menschen waren jetzt unterwegs. Touristentrupps mit ihren Trolleys zuckelten vorbei, unterhielten sich lärmend in fremden Sprachen und steuerten eine der Unterkünfte an.
    Aus dem Asia-Snack nebenan roch es heiß und fettig:
Vietnamese Kitchen
verkündete die Leuchtreklame. In einem der Flachbauten im RAW-Gelände wurde die elektronische Musik, die schon eine ganze Weile einen entfernten Klangteppich verbreitet hatte, lauter gedreht.

13
    Zabriskie holte die Post aus dem Briefkasten und stieg die Treppe zu ihrer Wohnung in der zweiten Etage nach oben. In der ersten Etage heulte das ältere der beiden Gören von Familie Maas. Weil es schlafen sollte, oder weil es baden sollte, oder weil es essen sollte. Kleine Kinder heulten eigentlich immer. Zabriskie hatte keine Kinder und war froh darüber. Die biologische Uhr tickte, aber sie tickte einem Zustand entgegen, der Zabriskie davor bewahren würde, einen lebensentscheidenden Fehler zu machen. Wenn man ein Kind adoptieren könnte, wenn es achtzehn war, das hätte sie vielleicht gemacht. Sie hätte gern eine erwachsene Tochter. Mit der könnte sie dann zweimal die Woche telefonieren.
Na, wie war dein Tag? Ach, nicht der Rede wert. Eine Frauenleiche, aber in gutem Zustand. Nicht entstellt, nicht verwest, nicht vergewaltigt, nur geschminkt. Ich kann mich nicht beschweren
.
    Zabriskie beschwerte sich nicht. Im Betrugsdezernat oder sonst wo wäre sie vor Langeweile gestorben. Wenigstens träumte sie nicht von den Toten, obwohl das vielleicht besser gewesen wäre. Träumen war auch eine Art von Verarbeitung, und irgendwo musste das alles hin, die Leichen in weniger gutem Zustand, die klimatischen Bedingungen in der Baracke, die Außentermine mit Dorfner.
    Sie schloss die Wohnungstür auf, pulte ihre Sneakers mit den Zehen von den Fersen und legte die Post auf den Küchentisch. Sie würde sich aufs Sofa legen und eine Runde zappen. Vielleicht kam eine Dokumentation über einen toten Rockmusiker, ein Film mit Laurel and Hardy oder eine Reportage über Sorghum. Alles, bloß kein Fernsehkrimi. Heute Abend würde sie sich den Rat ihres Augenarztes zu Herzen nehmen und keinen Alkohol trinken. Aus dem Kühlschrank holte sie sich einen Becher Buttermilch, schüttelte ihn kräftig, zog den Deckel ab, nahm einen tiefen Schluck, leckte sich den Milchbart weg, setzte sich an den Küchentisch und besah sich ihre Post.
    Ein Werbeschreiben von IKEA für neue Balkonmöbel war da.

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