Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
Vom Netzwerk:
Sie besah sich die Fotos und zerriss das Faltblatt sogleich. Nichts dabei, was ihr gefiel. Einen Balkontisch könnte sie vielleicht brauchen, für die drei Mal im Jahr, an denen es am Wochenende sonnig und sie nicht gerade einem Mörder auf der Spur war. Noch lieber hätte sie sich einen vollautomatischen Liegesessel fürs Wohnzimmer zugelegt. Aber im Advent kam ja wieder ein Werbeschreiben.
    Als Nächstes öffnete Zabriskie einen Umschlag mit einem Katalog eines polizeilichen Fachverlags aus einem Kaff im Sauerland. Sie blätterte gedankenverloren darin herum. Das Buch
Hilfe, mein Kollege ist ein Soziopath
, auf das sie schon seit Jahren hoffte, war wieder nicht erschienen. Vermutlich bekam der Verlag jedes Jahr zwei Manuskripte zu diesem Thema unaufgefordert zugeschickt und meldete die Autoren bei ihren Vorgesetzten, damit niemand Unannehmlichkeiten bekam. Am Ende würde sie es selbst schreiben müssen und mit einem Schlag berühmt werden. Das Sequel würde dann heißen
So lassen Sie Ihren Kollegen, den Soziopathen, unauffällig verschwinden
.
    Als Nächstes las Zabriskie eine Postkarte von ihrer Mutter, die gerade mit dem Wohnmobil nach British Columbia unterwegs war. Die Karte kam aus einem kleinen Holzfällerstädtchen am Highway 101, im nördlichsten Teil Kaliforniens gelegen. Schmucke viktorianische Häuschen eingebettet in die Redwoods-Wälder.
Sehen sehr viel Neues, Glück mit dem Wetter, Orville sendet Greetings
. Zabriskie nickte. Orville war der Lebenspartner von Elvira Barthelmeß, Zabriskies Mutter. Den beiden ging es offenbar gut. Im August würde Zabriskie wieder rüberfliegen und Urlaub in Kalifornien machen.
    Zabriskie besah sich das letzte Poststück. Es war ein Brief, handgeschrieben
An Frau Xenia Yolantha Zabriskie
, darunter ihre Privatadresse, ein Altbau in der Nähe vom Gasometer auf der Schöneberger Insel, wo es langsam immer mehr Eigentumswohnungen gab. Die Wohnung, in der Zabriskie wohnte, gehörte einem Mann, Ende fünfzig, der mit seiner Lebensgefährtin in Leipzig lebte. Nahtmann war ein freundlicher Vermieter, der sich einmal im Jahr bei Zabriskie sehen ließ, immer wenn Eigentümerversammlung war, immer mit Voranmeldung. Im Herbst war es wieder so weit. Sie würden sich auf einen Kaffee in der Nähe ihrer Wohnung treffen, Zabriskie würde an diesem Tag extra früh mit der Arbeit anfangen, damit sie zeitig Schluss machen konnte.
Sie sind die ideale Mieterin für mich
, sagte Nahtmann jedes Mal. Und es stimmte wohl. Zabriskie zahlte pünktlich, sie war ruhig, meistens jedenfalls, wenn sie nicht gerade wieder einen Bettgenossen abgeschleppt hatte und sich mitten in einer wilden Affäre von höchstens drei Monaten Dauer befand. Sie nutzte die Wohnung kaum ab, weil sie allein lebte. Sie rauchte nicht, sie hatte kein Haustier und dazu den seriösesten Beruf der Welt, aus der Sicht des durchschnittlichen Wohnungseigentümers jedenfalls.
    Der Absender war ein oder eine C. Stolze, aus einem Kaff irgendwo in Nordrhein-Westfalen, die Postleitzahl begann mit einer Fünf. Vielleicht eine frühere Klassenkameradin, die sich bereit erklärt hatte, alte Mitschüler für ein Klassentreffen auszukundschaften. Zabriskie riss den Brief mit einem Besteckmesser auf und las:
    Liebe Frau Zabriskie
,
    Sie kennen mich nicht, aber das ist auch kein Wunder, denn mein Vater hat bestimmt nie von mir gesprochen, obwohl er Sie regelmäßig trifft und sehr schätzt. Ich bin die erwachsene Tochter aus einer früheren Beziehung. Während meiner Kindheit hatten wir kaum Kontakt, aber seit einigen Jahren interessiert sich mein Vater wieder mehr für mich. Ich habe ihn ein paarmal in Leipzig besucht, wir schreiben uns regelmäßig E-Mails und auf Facebook sind wir miteinander befreundet
.
    An dieser Stelle hatte die Verfasserin einen Smiley hingemalt und daneben zwei Ausrufezeichen gesetzt, bei denen der Strich die Form eines schlanken Dreiecks hatte und sorgfältig ausgemalt war.
    In einigen Wochen werde ich meinen Bachelor of Arts in Tourism & Eventmanagement an der International School of Management in Dortmund abschließen
.
    Und noch ein Smiley.
    Ab dem 1. Oktober habe ich eine feste Stelle, vorher mache ich noch eine Studienreise nach Schottland, um mir dort einige Burghotels der gehobenen Kategorie anzusehen. Sie können sich mein Glück nicht vorstellen, als mein Vater mir versprochen hat, dass er mir die Wohnung, in der Sie jetzt wohnen, zur Verfügung stellen will. Das macht den Start in den neuen

Weitere Kostenlose Bücher