Immer Schön Gierig Bleiben
Lichtschalter?«
»Einmal, wieso?«
»Bei Ihnen würde ein einziger Entspannungsschluck sicherlich reichen. Mehr Schlaf ist viel wichtiger. Einen Kurzen oder, ich betone,
ein
Bier, und dann ab ins Bett.«
»Bloß weil ich im Bett liege, schlafe ich noch lange nicht«, sagte Zabriskie.
»Auch Sex kann Stress abbauen. Aber dann brauchen Sie erst recht keinen Schlummertrunk.«
»Schon gut, war’s das?« Zabriskie wollte aufstehen.
»Die Spaltlampenuntersuchung noch.« Der Arzt stand auf und deutete mit einer Armbewegung zu einer Geräteapparatur. »Bitte mal an diesem Tisch Platz nehmen.«
Dorfner suchte sich ein Café auf der anderen Seite der Revaler Straße, von dem aus er das Büro von Antigen im Blick hatte. Einen zweiten Ausgang gab es nicht, das hatte er mit Zabriskie abgeklärt. Um ihn herum saßen Leute, die auf Laptops tippten oder in Reiseführern blätterten. Dorfner bestellte Wasser. Diese ganzen Drogenlimonaden kamen für ihn ebenso wenig in Frage wie der aromatisierte Schwuchtelkaffee. Frappuhier und Cinoda, alles mit einem zuckersüßen Sirup versaut. Er warf einen Blick auf die Karte: Irgendwas mit Rucola, Irgendwas mit Feigensenf, Irgendwas zubereitet mit Eiersatzpulver. Dreißig Cent gingen an eine Stiftung, die Geflügelbauern half,
aus der Szene auszusteigen, um einer gesellschaftlich sinnvollen Tätigkeit nachzugehen
, wie in der Speisekarte zu lesen war. Nach einem Eisbein mit Erbspüree brauchte er gar nicht erst zu fragen, oder nach einem Gläschen Lebertran, als blutbildende Maßnahme. Und die Frauen hier sahen aus: ausgemergelt und kurzhaarig, die waren alle magersüchtig und hatten Nasenringe und Lippenpiercings. Die Männer trugen Zwirbelbärte und labberige T-Shirts. Einer hatte ein orangefarbenes Jackett an und ein Kind in einem Tragegeschirr auf den Bauch geschnallt. Wie die sich hier wohl fortpflanzten? Vielleicht, indem sie Chai Latte mit zwei Strohhalmen aus demselben Glas tranken. Kein Wunder, dass die Deutschen ausstarben.
Dorfner blätterte durch die Ausgabe von
Legal Torture
und sah sich die Überschriften an: »Verdächtiger unschuldig, Arm ausgekugelt, alles renkt sich wieder ein!« Das war aus der Serie
Medizinische Grundlagen für Vernehmer
, die Dorfner schon viele blöde Fragen erspart hatte. Wie sieht jemand aus, der wirklich die Treppe hinuntergefallen ist, zum Beispiel.
Er studierte das Angebot für die Leserreise nach China. Leider war das unerschwinglich, obwohl es ihn sehr interessiert hätte, diese Jahrtausende alte Kultur und ihre Methoden der Wahrheitsproduktion einmal näher kennenzulernen. Im Moment war er dabei, sein Dach über dem Kopf zu verlieren. Wo er schlief, war das geringste Problem. Er hatte seinen Internet-Fernkurs zum Ranger mit Auszeichnung bestanden. Dorfner wusste, wie man digital Feuer macht und am Bildschirm ein Zelt zusammenbaut. So schwer konnte das auch im wirklichen Leben nicht sein. Was ihm Kopfzerbrechen machte, war die Ausstattung seines Bootcamps. Sie musste irgendwo sicher verstaut werden. Zabriskie brauchte er nicht zu fragen, ob er vielleicht im Büro etwas zwischenlagern könnte. Die trainierte zwar auch, das war ihrem Körper anzusehen – typisch Kampflesbe –, aber gleichzeitig tat sie immer so, als sei es primitiv, wenn man seine Muskeln pflegte.
Dorfner bestellte sich ein Hühnchensandwich ohne Feigensenf und Rucola und warf einen Blick zu Antigen hinüber. Die Zielperson war nicht zu sehen. Er nahm sich eine Tageszeitung zur Hand. Es war Mittwoch, und der Anzeigenteil für Wohnungen war überschaubar. Zur Miete, zum Kauf, Gewerbe, Sonstiges. Na bitte, hier war doch was, in Dahlem:
HH 14 qm, 400 warm, Gartennutzung
. Das war nicht groß, aber es würde erst einmal reichen. Er wählte die angegebene Nummer.
Es meldete sich eine näselnde Stimme: »Der Majordomus im Anwesen von Herrn Dr. Schneider.«
»Dorfner mein Name. Ich rufe an wegen der Anzeige in der heutigen Zeitung.«
»Haben Sie Referenzen?«
»Selbstverständlich. Ich bin Polizist, unkündbar, zuverlässig. Kann auch gerne abends noch mal sehen, ob sich Gesindel herumtreibt vor Ihrer Schnuckelbutze da draußen.«
»Ah, da wird sich Freifi Edler vom Busch aber freuen. Arbeiten Sie in einer Hundestaffel?«
Dorfner schüttelte den Kopf, normalerweise stellte er die Fragen. »Nein, bei der Kripo. Der Kampf gegen das Böse und solche Sachen.«
»Sie und Freifi werden sich bestimmt aneinander gewöhnen. Haben Sie schon einmal so gewohnt?« Die Stimme am
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