Immer Schön Gierig Bleiben
Badezimmer. Wo ihre Badewanne stand, in der sie jetzt ihren Schmerz ertränken würde. Und morgen, morgen würde sie sich eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht werfen und den Kampf gegen diesen Wechselbalg, diese Tussi aus dem Nichts aufnehmen. Ganz persönlich und nachhaltig würde sich Zabriskie ihrer annehmen. »Cheers, Conny Stolze, das ist der Beginn einer unvergesslichen Todfeindschaft«, murmelte Zabriskie. Dann ließ sie heißes Wasser ein.
Es ging auf Mitternacht zu, und Dorfner hielt es nicht mehr aus. Er ging hinüber zum Antigen-Büro. Menschentrauben zogen daran vorbei, tiefer in das RAW-Gelände hinein oder hinaus auf die Straße.
Er hielt sich das Handy ans Ohr und murmelte vor sich hin, damit er einen Grund hatte, hier im Durchgang zu stehen. Endlich hatte er eine Gelegenheit, seine Lieblingsphantasie auszuleben: den Anruf von Steven Seagal aus Hollywood.
»Hallo, Dorfner, hier spricht Steven Seagal.« Wollte ihn da jemand verarschen? Aber nein, es war die leicht gedehnte, durch die Jahrzehnte buddhistischer Weisheit rauchig gewordene Stimme des Meisters.
»O Mr. Seagal. Welche Freude, Sie zu hören.« Dorfner hob das Handy und nickte zur Bekräftigung.
»Dorfner, die Freude liegt bei mir. Bitte sag Steven zu mir.«
»Und du bitte Dorfner.« Dorfner lachte sein kehliges, welterfahrenes Lachen.
»Tu ich doch schon, Dorfner.« Auch Steven lachte kehlig. »Deine Leserbriefe in
Legal Torture
haben mich echt beeindruckt.«
»Oh, danke Steven, das höre ich gern.« Dorfner nickte nachdrücklich und rammte dabei den Kopf in die Schulter eines Passanten, der vorbeilief.
»Weißt du, Dorfner, mein nächster Film handelt von einem Massenausbruch aus einem Foltercamp. Hättest du im Sommer drei Wochen Zeit, um die Leute auszubilden, die die Wächter spielen? Wir wollen, dass alles möglichst echt aussieht. Nicht dieser windelweiche Hollywood-Scheiß, verstehst du?«
Dorfner nickte. »Ich verstehe dich ja so gut, Steven. Das wäre so toll, wenn ich dir bei diesem Film helfen könnte.«
»Die Statisten sind alles Ex-Marines in einem Resozialisierungsprogramm. Die Jungs sind sehr lernwillig. Pass auf, ich gebe dir jetzt meine Privatnummer. Ruf mich einfach heute Nacht um zwei Uhr an, dann sind wir alle im Büro. Null null eins für die USA …«
Wie auch sonst in der Phantasie, gelang es Steven Seagal auch diesmal nicht, Dorfner seine Privatnummer zu geben. Immer kam etwas dazwischen. Entweder Dorfner wachte auf und musste pinkeln, oder Zabriskie schoss ihm mit einem Schnipsgummi ein Stück Papier auf die Nase. Diesmal war es die Zielperson. Ein Mann mit blonden Rastalocken steuerte zielstrebig auf das Büro von Antigen zu und sah sich dabei nach allen Richtungen um. Er hatte es eilig und den Schlüssel schon gezückt. Jetzt nestelte er wild am Schloss herum.
»Steven, Moment mal, ich muss gerade jemand festnehmen, einen Frauenmörder. Tut mir leid.«
»Entschuldige dich nie dafür, dass du den Abschaum von der Straße holst, Dorfner. Wir sprechen uns wieder.« Das Gespräch war zu Ende.
Dorfner machte drei Schritte und legte dem Mann die Hand auf die Schulter. »Guten Abend, ich würde mich mit Ihnen gerne über den Mord an Verena Adomeit unterhalten. Kommen Sie bitte mit, ohne Widerstand zu leisten.« Er bohrte seinen Daumen in die Halskuhle neben dem Schlüsselbein.
Der Mann fuhr herum, dass die Rastalocken wirbelten. »Adomeit? Ich kenne keine Adomeit. Lassen Sie mich los.«
Dorfner verstärkte seinen Druck. »Verena Adomeit ist die Frau, die du mit deinen SMS belästigt hast, du Schmutzfink. Und dann hast du sie umgelegt.«
Rastalocke japste nach Luft. »Die Schnepfe ist tot? Und ich soll das gewesen sein? Weil ich auf sie abgekotzt habe? Das glauben Sie doch im Leben nicht.« Er wand sich unter Dorfners Griff.
»Wir glauben nicht, wir beweisen. Und wir nageln Leute fest. So wie dich jetzt. Du kannst uns alles erklären, aber nicht hier. Du kommst mit in die Baracke.«
»Jede Zeile, die ich geschrieben habe, ist wahr. Sie haben doch bestimmt schon mal eine Wohnung gesucht, oder? Geben Sie doch zu, dass Makler der letzte Dreck sind.«
Dorfner hüstelte. »Umbringen darf man sie trotzdem nicht.«
14
Ein Haiku schreiben, das ist mehr als einen Dreizeiler verfassen. Es ist ein Ausdruck von Gleichmut. Es bedeutet die Fähigkeit, die Situation so zu nehmen, wie sie ist. Die Bereitschaft, sich dem Neuen zu öffnen.
Ein Fisch sagt mehr
Als tausend Worte. Schweigen
Und still genießen
Was
Weitere Kostenlose Bücher