Immer Schön Gierig Bleiben
Autowerkstatt. Sie war eingespeichert.
»Tag, Frau Adomeit. Köhler, von Big Mini. Ich wollte Ihnen nur sagen, der Wagen läuft wieder. Alles einwandfrei. Können Sie heute abholen, wir sind bis neunzehn Uhr da. Bisschen Öl haben wir noch reingefüllt und gewaschen, wie abgemacht. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber mit Originalteilen ist es manchmal so ’ne Sache. Ich hoffe, die BVG war kein Alptraum für Sie.«
Stiesel drückte auf Rückruf. Köhler war am Apparat. Als er von Verena Adomeits Tod hörte, war er ehrlich erschrocken. »Was meinten Sie eben mit der BVG?«, fragte Stiesel.
»Wenn ein Kunde seinen Wagen bei uns lässt, bieten wir ihm Ersatz an: Entweder er kriegt kostenlos ein Fahrrad oder Tagestickets für die BVG. So lange, bis er sein Auto wiederbekommt.«
»Und Frau Adomeit hat sich für die BVG entschieden?«
»Ja, das machen die meisten. Viele haben Angst, in der Stadt Rad zu fahren, dazu das unzuverlässige Wetter. Was wird denn aus dem Auto?«, fragte Köhler.
Stiesel sagte, die Schwester würde sich melden.
»Falls sie das Auto nicht will, wir haben immer Interessenten«, sagte Köhler.
Stiesel griff sich Bördensens Bericht über die Wohnung von Verena Adomeit. Da waren sie, die abgestempelten Tagestickets. In der großen Klammer, wo auch das Programm von The Harp gewesen war.
Hatte Verena Adomeit ihren Mörder im Bus getroffen? Wenn vor zwölf Jahren eine Verbindung zwischen den beiden toten Frauen bestanden hatte, dann sollte man sich das Jahr 2001 noch näher ansehen.
17
Bei jedem Schritt, den Pachulke in seiner Wohnung machte, ächzten die Dielen. Er hatte den ganzen Tag unter Strom gestanden, und kaum war die Lagebesprechung vorbei, war er nach Hause an den Lietzensee geeilt.
Erst räumte er Kerzenhalter und Tischtuch ab, dann zog er den ovalen Tisch, an dem er seine Mahlzeiten einnahm, quer durch das Zimmer bis ans Fenster. Der Schreiner sollte Platz haben. Außerdem legte er einen Zollstock, eine Wasserwaage und einen weichen Bleistift bereit. Das war natürlich ein kleines bisschen albern. Der Mann war Profi und hatte in der Wohnung bereits Schreinerarbeiten durchgeführt. Aber wann, wenn nicht heute war der Tag, um ein bisschen albern zu sein.
Nachdem das Wohnzimmer vorbereitet war, setzte sich Pachulke an den Rechner und rief die beiden Rubinstein-Fansites auf, die die Ranglisten für die
Studio Sessions
führten. Er war noch nicht eingegeben, aber er würde einen Platz unter den ersten fünf bekommen. In einem Forum hieß es lapidar:
German collector becomes a Rubinstein heavyweight champion
. Ausnahmsweise gefiel Pachulke diese Anspielung auf seine Gewichtsprobleme. Gewichtig würden auch die Platten in dem Regal stehen, Stoff für endlose fachkundige Gespräche und ebensolche Bewunderung.
Pünktlich klingelte es an der Tür.
»Guten Abend, Herr Menz.«
»Guten Abend, Herr Pachulke.«
»Kommen Sie doch rein.«
»Danke sehr.« Der Schreiner trat ins Wohnzimmer. Die erste Ladung Regalbretter für das neue Regal hatte er gleich mitgebracht. Er lehnte sie vorsichtig gegen die Wand und besah sich die mit Schallplatten vollgestopften Regale. »Na, hier hat sich ja einiges getan, seitdem ich das letzte Mal hier war.«
»Ach, Sie übertreiben«, sagte Pachulke. »Hie und da die eine oder andere Akquisition. Zweihundertachtzig laufende Regalmeter mit Schallplatten sind doch wirklich nicht der Rede wert.«
Der Schreiner wiegte sein Haupt und machte sich an seinem Werkzeugkasten zu schaffen. »Hier soll es hin, wie besprochen?« Er zeigte auf die letzte freie Wand im Wohnzimmer.
»Genau da. Walten Sie Ihres Amtes«, sagte Pachulke. »Ich werde erst mal Kaffee kochen. Sie trinken doch ein Tässchen mit?«
»Tee wäre mir lieber«, sagte der Schreiner.
»Ich habe nur Beuteltee«, sagte Pachulke »Australischen Beuteltee.« Summend ging er in der Küche. Etwas von Chopin.
Pachulke warf den Wasserkocher an. Er holte zwei Tassen und einen Teebeutel aus dem Hängeschrank. Während das Wasser heiß wurde, brühte er den Kaffee. Dann goss er den Tee auf und ging mit beiden Tassen zurück ins Wohnzimmer. Schreiner Menz lag auf dem Boden und spähte mit zugekniffenen Augen hinüber zu der Wand, wo das große Plattenregal stand.
»Junge, Junge«, murmelte er und schüttelte den Kopf. Er drehte sich um neunzig Grad und blickte über die Dielen hinweg. »Nicht zu fassen.«
»Nehmen Sie Milch und Zucker?«, fragte Pachulke.
»Haben Sie mal eine Erbse?«, fragte der
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