Immer Schön Gierig Bleiben
irgendetwas?«, fragte Pachulke.
»Es ist wegen der Kontaktlinse.« Zabriskie sah auf den Boden und dann aus dem Fenster.
»Wir haben den Tatort mit ihrer Hilfe identifiziert, das ist ein wesentlicher Hinweis. Er muss sein Opfer beinahe angesprungen haben, und bei dieser Gelegenheit müssen die Kontaktlinsen herausgefallen sein. Wo die zweite Kontaktlinse ist, wird sich weisen. Vielleicht können zwei Beamte da noch einmal unter den Pflanzen nachsehen.« Pachulke holte einmal Luft und legte die Finger mit den Spitzen aneinander.
Zabriskie räusperte sich. »Ich dachte, es könnte sich lohnen, die Kontaktlinse genauer untersuchen zu lassen.«
»Tenbrink hat die DNA von Adomeit darauf bereits nachgewiesen.«
»Ich dachte eigentlich an einen ausgewiesenen Augenexperten.«
Das Wort
Augenexperte
hing zwischen den beiden in der Luft, dann verfärbte sich Pachulkes Gesicht dunkel. »O nein, auf gar keinen Fall Haeckel. Dieser Stümper soll nicht noch einmal die Gelegenheit haben, etwas zu verpfuschen. Du wirst ihn da auf keinen Fall mit reinziehen.«
Das war ungefähr die Reaktion, die Zabriskie befürchtet hatte.
Aber Pachulke war noch nicht fertig. »Ich muss jeden Tag die Blicke von Speckler und Nothoff ertragen, wenn ich ins Haus komme oder mir einen Kaffee holen will. Das ist keine gute Idee. Wenn Haeckel es wieder verpfuscht, platzt uns am Ende der Fall. Als Gutachter wird er vor keinem Gericht der Welt bestehen, und wenn er etwas herausfindet, wird er hochtrabend und auftrumpfend hier antanzen.«
Pachulke hatte nicht ganz unrecht. Haeckel war, gelinde gesagt, sehr von sich überzeugt. Trotzdem sagte Zabriskie: »Es war nicht allein Haeckels Schuld, dass die Sache damals so schiefgelaufen ist. Die Verwaltung hat zu früh grünes Licht gegeben, weil man einen Erfolg präsentieren wollte. Haeckel wollte noch eine weitere Reihe von Tests durchführen …«
Pachulke starrte auf die Arbeitsplatte seines Schreibtischs und schüttelte den Kopf.
»… und Nothoff und Speckler haben förmlich darauf gedrängt, die Versuchspersonen zu sein.«
»Haeckel als Wissenschaftler hatte die Verantwortung.«
»Die hat er ja auch übernommen. Er hat seine Stelle hier aufgegeben und seine wissenschaftliche Laufbahn beendet.«
»Was blieb ihm anderes übrig?«
»Ach komm, Pachulke, du weißt genau, dass er nicht hätte gehen müssen. Dafür war er viel zu gut. Eine großzügige Abfindung für Speckler und Nothoff, und niemand hätte Haeckel einen Strick daraus gedreht.«
»Also gut, was willst du von mir?«
»Ich will Haeckel diese Linse zeigen und hören, was er dazu zu sagen hat, mehr nicht.«
»Häng’s bitte nicht an die große Glocke«, knurrte Pachulke. »Weißt du überhaupt, wo er ist?«
Zabriskie nickte. »Auf der Treptower Halde«, sagte sie.
Als Stiesel nach der Lagebesprechung in sein Büro ging, fand er eine Plastiktüte auf seinem Schreibtisch. Sie kam von Löffelholz und enthielt das Smartphone von Verena Adomeit mit dem handschriftlichen Vermerk:
Bitte Kontakte prüfen, Verbindungsübersicht beim Provider angefordert, vorauss. Freitag. P. hat Schwester informiert
.
Stiesel nickte zweimal. Es war ihm recht, dass Pachulke die nächste (und einzige?) Verwandte bereits informiert hatte. Er holte das Handy heraus und scrollte durch das Kontaktverzeichnis. Die vielen englischen Namen waren auffällig. Firmen wie Get Real Estate in Dublin oder Gorgeous Homes in Manchester, Shelly Chambers und Malcolm Gardener in London. Das hätte sich Zabriskie anschauen sollen, die war doch halbe Amerikanerin und sprach viel besser Englisch als er.
Weil er die knapp dreitausend abgespeicherten Adressen irgendwie strukturieren musste und nicht bei A wie ADAC -Pannenservice beginnen wollte, beschloss er, mit den örtlichen Kontakten zu beginnen. Dankenswerterweise konnte man sich auf dem Smartphone der Toten eine Liste mit den zwanzig am häufigsten kontaktierten Personen vorsortieren lassen. Adomeits Schwester war genauso wenig darunter wie Ms. Chambers und Mr. Gardener.
Stiesel rief als Erstes bei der Sparkasse an. Dort hatte die Tote ein Konto gehabt. Er fragte sich zum Filialleiter durch. Der maulte pro forma ein bisschen herum und berief sich auf das Bankgeheimnis, aber als er Mord und Kapitalverbrechen hörte und Stiesel sagte: »Der richterliche Beschluss liegt hier bei mir auf dem Fax«, gab er klein bei. Für die Banker brauchte man in den seltensten Fällen einen Gerichtsbeschluss. Die nahmen es als persönlichen
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