Immer Schön Gierig Bleiben
Angriff, wenn einer ihrer Kunden zum Opfer eines Verbrechens geworden war. In ihrer Empörung zeigten sie sich sehr kooperativ, auch wenn das nicht unbedingt so in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand. Blöd war nur, wenn ein Verteidiger die so beschafften Beweismittel in der Hauptverhandlung in Frage stellte, vor allem, wenn es um Insolvenzbetrug oder Geldwäsche ging. Die Kollegen von der Staatsanwaltschaft waren
not amused
, wenn ihnen ein Ermittler kleinlaut erklären musste, sie hätten sich die Unterlagen
auf Kulanz
verschafft.
Die gleiche Prozedur – Bördensen und Stiesel nannten dies das Mord-geht-vor-Gambit, man gab ein bisschen von der Strafprozessordnung preis und erwarb einen immensen Positionsvorteil – vollführte Stiesel dann mit einem Filialleiter von der Commerzbank. Das ewig junge Ritual, der balzende Ermittler und der Banker, der sich ziert, kam auch hier zum guten Ende. Sie paarten sich nicht, aber sie einigten sich.
Das Fitnessstudio hatte Bördensen erledigt. Stiesel probierte es bei einer Rendita Hausverwaltung. Die Sekretärin erinnerte sich an Frau Adomeit und war fassungslos. »So eine reizende junge Frau.« Ihr Boss war ebenfalls geschockt. Ja, Frau Adomeit hatte viele Verträge angebahnt für die Rendita, häufig für Kunden aus dem angelsächsischen Sprachraum, da sei sie sehr gut vernetzt gewesen, und ihre guten Sprachkenntnisse hätten die Dinge wesentlich erleichtert. Er, der Geschäftsführer der Rendita, habe selbst in der Schule nur sieben Jahre Russisch gelernt, das sei aber auch nützlich, für die russische Kundschaft. Und unzufriedene Mieter abwimmeln, das habe er als Vernehmer beim Ministerium für Staatssicherheit gelernt. Er erwähnte kurz, Frau Adomeit habe sich vergangene Woche erkundigt, ob eine bestimmte Wohnung, die sie bereits mehrfach vergeblich versucht habe zu vermitteln, zum Verkauf stünde.
Stiesel fand, eine Maklerin, die eine Wohnung kaufen wollte, war wie ein Beerdigungsunternehmer, der sich sein eigenes Grab schaufelte. Irgendwie redundant. Die fragliche Wohnung befand sich im Bayerischen Viertel. Zusammen mit der Anfrage für das Spinning-Bike war das schon der zweite Hinweis, dass die Tote offenbar vorgehabt hatte, Geld in die Hand zu nehmen. Was sich nicht unbedingt mit den Aussagen ihrer Bürokollegin Kemmling deckte, die von Adomeits Ärger mit enttäuschten Kunden berichtet hatte.
Nach dem Telefonat ging Stiesel in den Raum nebenan. Der war ursprünglich einmal sein Büro gewesen, aber auch wenn er unter Bördensens Schlamperei zu leiden hatte, die Entscheidung für ein überfülltes, beengtes und unaufgeräumtes Büro, wo man sich gegenübersaß, hatte sich gelohnt. In dem frei gewordenen Raum hatten Stiesel und Bördensen einen Fußballtisch der Extraklasse aufgestellt. Nicht nur, dass die Männchen handlackierte Hertha- und Union-Trikots trugen, die Hertha-Spieler sogar gestreifte. Es war ihnen auch gelungen, den Tisch als Konferenzausstattung zu deklarieren und über die allgemeinen Sachmittel zu finanzieren. Niemand außer Stiesel und Bördensen wusste das, nicht einmal Pachulke, der für die Ausstattung der Baracke das eine oder andere Extra herausgeschlagen hatte.
Stiesel hatte zwei Wochen keinen Kickertisch gesehen. Er wollte wenigstens ein bisschen Torschusstraining machen und seinen Männchen von Union guten Tag sagen. An den Wänden hingen Schals und Mannschaftsposter, Autogrammkarten und diverse Kicker-Stecktabellen der letzten Spielzeiten.
Er trat an den Tisch und ächzte laut auf. Dieser … dieses Ferkel Bördensen. Da lag einer seiner Kräuterbonbons halb angelutscht auf dem Rand des Kickertischs. Stiesel berührte ihn mit spitzen Fingern. Trocken und festgebacken. Vermutlich hatte der Kollege eine Solorunde eingelegt und den Bonbon rausgenommen, damit er sich nicht verschluckte. Stiesel brach den Würfel ab und warf ihn in den Papierkorb. Den braunen Zuckerstumpf beseitigte er mit heißem Wasser und Papierhandtüchern aus der Toilette. Bördensens Lieblingsmarke. Sie waren überall im Büro, allerdings normalerweise in dem markanten Gelb verpackt, das die Werbung prägte.
Nach zwanzig Minuten Schusstraining kam Stiesel ins Schwitzen, und er brach ab. Er ging zurück zum Schreibtisch. Inzwischen hatte die Sparkasse die angeforderten Dokumente geschickt. Die Kontoauszüge von Verena Adomeit seit Jahresanfang.
Während Stiesel gekickert hatte, hatte jemand auf dem Handy von Verena Adomeit angerufen. Big Mini, eine
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