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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Tenbrink. Aber was sollte jetzt aus Rubinstein werden? Er musste die Schallplatten beim Auktionshaus abholen. Und dann? Sollte er auf seine alten Tage noch einmal umziehen? Zusammen mit einigen zehntausend Schallplatten? Gar in einen anderen Bezirk? Aber wie war die Akustik in einem anderen Bezirk? Reinickendorf war sehr hallig, sagte man. Das war nicht gut. Tegel klang zu flach, Neukölln hatte zu viele Nebengeräusche.
    Die Wand, an die das Regal hätte hingebaut werden sollen, war kahl und leer. Auch Pachulkes Kopf war leer. Kahl war er nicht, aber das war im Moment kein wirklicher Trost.
    Zabriskie konnte nicht schlafen. Den ganzen Abend hatte sie sich Webseiten angesehen, auf denen Wohnungen angeboten wurden. Sie war sich wie ein Dorftrampel vorgekommen. Als sie das letzte Mal eine Wohnung gesucht hatte, sah man zu, dass man die neue Zeitung am Vorabend ergatterte, an einem Bahnhof oder bei einem Handverkäufer, der durch die Kneipen zog. Dann eilte man nach Hause, arbeitete in der U-Bahn den Immobilienteil durch und klemmte sich am nächsten Morgen früh, aber nicht zu früh, hinters Telefon. Hinter das Festnetztelefon, das in der Küche oder auf einem Beistelltisch in der Diele stand. Eine frühere Mitbewohnerin von Zabriskie war dabei immer sehr methodisch vorgegangen. Sie hatte alle interessanten Anzeigen ausgeschnitten und aufgeklebt. Auf diese Weise hatte sie bei jeder Anzeige genug Platz gehabt, Anschrift und besondere Hinweise zu notieren. Zabriskie hatte das immer als ein wenig streberhaft empfunden. Sie war da wesentlich unstrukturierter.
    Die Wohnung, in der sie jetzt wohnte, hatte sie gefunden, weil sie die Hausnummer verwechselt hatte. Statt in der 43 war sie in der 34 aufgelaufen. Sie war sehr misstrauisch gewesen, weil nicht die übliche halbe Hundertschaft von Interessenten im Treppenhaus stand. War das die totale Bruchbude? Oder eine Sexfalle für junge Frauen? Weder noch. Sie war durch das ganze Haus gelaufen, Vorderhaus, Hinterhaus, das aufgehübscht meist Gartenhaus hieß in den Anzeigen, und den Seitenflügel. Schließlich war ihr im Hof eine Frau begegnet.
    »Ich komme wegen der Wohnung«, sagte Zabriskie.
    »Na, Sie haben sich aber beeilt«, sagte die Frau. »Die Anzeige sollte doch erst am Montag drin stehen.« Sie war die Hausmeistersgattin und klimperte mit dem Schlüsselbund. Zabriskie war ihr gefolgt, hoffnungsfroh und neugierig wie ein junges Kätzchen. Und dann hatte Frau Gersunke ihr die Tür zu einem DreiZimmer-Palast geöffnet und ihr gesagt, Zabriskie möge noch am gleichen Tag zur Hausverwaltung laufen und sagen, sie, die Gersunke, habe die Kandidatin für gut befunden.
    Vor drei Jahren war Frau Gersunke dement geworden und in ein Altersheim nach Staaken gekommen, in der Nähe ihrer Enkeltochter.
    Hier und heute gab es im Internet jede Wohnung vorab zu sehen. Mit Adresse und Lageplan und Blick vom Balkon und Blick auf den Balkon und allem, was man früher gar nicht zu fragen gewagt hätte. Den Mietpreis zum Beispiel. Zabriskie hatte sich optimistisch ans Werk gemacht. Bevor sie Tusse Stolze aufs Kreuz legte, wollte sie sich einen Plan B zurechtlegen. Dazu gehörte auch ein Probelauf bei der Wohnungssuche.
    Ihrem optimistischen Naturell folgend, hatte Zabriskie sich bei den Suchkriterien an ihrer jetzigen Wohnung orientiert und bei der Umkreissuche einen Kilometer eingegeben. Diese Suche brachte kein Ergebnis, und sie erweiterte den Radius sukzessive auf zwei und fünf Kilometer. Schließlich spuckte die Suchmaschine drei Wohnungen aus. Als Zabriskie den Preis sah, hielt sie ihn für einen Druckfehler. Aber das war kein Kleinanzeigenmagazin, das war das Netz. Und die Preise stimmten, wie eine Gegenrecherche im Mietspiegel ergab.
    Jetzt fing Zabriskie an zu experimentieren. Ließ ein Zimmer weg, ließ zwei Zimmer weg. Ließ den Balkon weg. Addierte ein Zimmer und erhöhte ihre persönliche Mietobergrenze. Wanderte in einer spiralenförmigen Bewegung immer weiter weg von ihrem jetzigen Kiez, bis sie schließlich vier Wohnungen in vier verschiedenen Ecken der Stadt gefunden hatte, die keine sofortigen Streichkandidaten waren.
    In Tempelhof in der Albrechtstraße gab es eine mit Balkon. Die wollte sie morgen als Erstes besichtigen.

18
    Die Mitarbeiterin der Zeitschriftenabteilung der Staatsbibliothek rollte ein Wägelchen an Stiesels Arbeitsplatz heran. Ohne mit der Wimper zu zucken, wuchtete sie einen großen Folianten hoch und knallte ihn so kräftig auf den Tisch, dass andere

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