Immer Schön Gierig Bleiben
medizinisch.
»Entschuldigen Sie, ich hätte eine Frage«, sagte Pachulke zu der Verkäuferin.
»Men’s Beauty Care, hinten links in der Ecke«, sagte sie, ohne aufzusehen. Dabei malmte sie emsig auf einem Kaugummi herum.
Pachulke räusperte sich. »Es geht nicht um mich, bei mir ist ja eh nicht mehr viel zu machen.«
Die Verkäuferin musterte ihn von oben bis unten. »Man soll die Hoffnung nie aufgeben, da hatten wir schon ganz andere Visagen in der Mache. Bisschen Nachtcreme, bisschen was gegen die Krähenfüße, einmal im Monat ’n Peeling. Die Ohren sollten Sie sich mal ausrasieren lassen. Das sind Hörorgane und keine hängenden Kleingärten. Wollen Sie nicht mal rüberschauen in die Männerabteilung? Wir haben grade Starterpakete im Angebot. Jeden Abend und jeden Morgen zehn Minuten Körperpflege und die Frauen werden auf Sie fliegen. Die, die es mollig mögen, auf jeden Fall. ’n interessantes Gesicht haben Sie ja. Zeigen Sie mal Ihre Hände.« Pachulke hob die Hände über den Kopf. Die Verkäuferin schüttelte den Kopf. »Doch nicht so. Das hier ist keine Razzia. Gib Pfötchen.«
Pachulke streckte die Hände aus. Die Verkäuferin berührte seine Hände. »Gar nicht mal so übel. Schön weich. Ausdrucksstarke Finger.« Sie schnüffelte an Pachulkes Fingern. »Nichtraucher, sehr schön. Und heute Morgen schon die Hände gewaschen.« Sie blickte auf. »Irgend so eine Flüssigseife mit Aloe Vera, stimmt’s?«
Pachulke nickte. »Vielen Dank, aber es geht wirklich nicht um mich. Ich bin wegen einer Frau hier.«
»Verstehe.« Die Verkäuferin verschob den Kaugummi mit einer schnellen Zungenbewegung von der linken in die rechte Backentasche. »Wer ist es denn? Ehefrau, Geliebte, Exehefrau, Exgeliebte, erwachsene Tochter, Tochter im Teenageralter, Mutter, Blumenverkäuferin, in die Sie heimlich verknallt sind, Kollegin, in die Sie heimlich verknallt sind, Nachbarin, in die Sie heimlich verknallt sind, Lieblingshure, der Sie einen Heiratsantrag machen wollen, Ehefrau des Kirchenvorstands, Bundestagsabgeordnete aus Ihrem Wahlkreis, Sohn, der gerade sein Coming-out verkündet hat? Und wie viel wollen Sie ausgeben?«
»Nein, kein Geschenk. Die Frau, um die es geht, ist tot.«
Die Verkäuferin riss den Mund auf, der Kaugummi klebte gerade an ihrem rechten Eckzahn im Oberkiefer. »O nein, bitte sagen Sie mir jetzt nicht, dass Sie Ihre Mutter umgebracht haben und zu Hause ihre alten Kleider auftragen, da kriege ich gleich eine Gänsehaut.«
»Meine Mutter hatte eine ganz andere Kleidergröße als ich.«
Die Verkäuferin trat einen Schritt zurück und wurde sehr blass unter ihrer Tönungscreme.
Pachulke zückte seinen Dienstausweis. »Bitte machen Sie sich keine Gedanken. Pachulke, Kriminalpolizei. Ich habe niemanden umgebracht. Ich möchte jemanden finden, der zwei Frauen ermordet hat, das ist alles.«
In das Gesicht der Verkäuferin kehrte wieder ein klein wenig Farbe zurück. »Sagen Sie das doch gleich. Haben Sie mir einen Schrecken eingejagt.« Die Verkäuferin ging zu einer Verkaufsinsel. Diese präsentierte an drei Seiten Produkte vom Toten Meer und gewährte an der vierten Seite Zugang für das Personal. Sie warf den Karton, in dem die Tuben gewesen waren, in eine Box für Altpapier, wickelte den Kaugummi in ein Kleenex und warf ihn hinterher. Dann trank sie einen Schluck Wasser aus einer Halbliter-PET-Flasche und stellte sie zurück in den Bereich unterhalb des Tresens, in dem die Verkäuferinnen offenbar ihre privaten Dinge ablegten. Dann wandte sie sich Pachulke zu und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Sofort fühlte er sich jünger und straffer, ganz ohne Faltencreme und Abtöner.
»Ihr Lächeln hat die gleiche Wirkung auf mich wie Botox«, sagte er.
Das ist bestimmt ein schönes Kompliment für eine Frau, die Kosmetika verkauft
, dachte er. Aber die Verkäuferin wurde schon wieder blass und griff zur Flasche. Schnell schob Pachulke ein schelmisches Kichern nach, das er extra einstudiert hatte, um die krassesten Folgen seiner missverständlichen Aussagen abzumildern, und schickte ein Augenzwinkern hinterher.
Sie zwinkerte zurück. »Tut mir leid, wenn ich so kurz angebunden war, aber wir müssen uns fragen: Wozu und zu welchem Ende kaufen Männer Kosmetika?«
»Genau«, sagte Pachulke. »Das frage ich mich schon seit zwölf Jahren.«
»Seit zwölf Jahren?«
»Ja, da haben wir die erste geschminkte Leiche gefunden.«
»Eine geschminkte Leiche, der Hammer. Bleiben wir zuerst einmal bei
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