Immer Schön Gierig Bleiben
Verena Adomeit als Studentin hier gearbeitet hat, ist nur eine Vermutung.«
»Und deswegen unser Programm zugeschickt bekommen hat, auch«, sagte Dagmar Söhnen. »Hat sie das andere Opfer, diese Schwarz, gekannt?«
»Das ist möglich«, sagte Stiesel. »Diese Frau Husakova kennen Sie wahrscheinlich auch nicht?«
Dagmar Söhnen schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, lang vor meiner Zeit hier.«
»Wir müssen Kontakt zu den Vorbesitzern aufnehmen.«
»Mein Mann schläft noch, der hatte gestern die Spätschicht.«
»Es ist wirklich sehr eilig. Haben Sie die Unterlagen nicht hier?«
»Die sind alle zu Hause oder bei unserem Steuerberater.«
»Wie heißt der Steuerberater? Würden Sie uns eine Vollmacht erteilen, um dort Personalunterlagen einzusehen?«
»Ich muss mit meinem Mann reden. Bei Sommerfeld könnten Sie Glück haben. Wir haben ihn von unseren Vorgängern sozusagen geerbt. Vielleicht hat er die alten Unterlagen noch.« Dagmar Söhnen zückte ihr Handy. Ihr Mann ging tatsächlich auch ran, und es entspann sich ein kurzes Gespräch auf Englisch.
Danach hieß es warten. Stiesel setzte sich nach draußen, wo der Sonntagvormittag allmählich in Tritt kam. Eine Reisegruppe mit Trolleys rannte über den Hackeschen Markt. Die wollten sicher zum Hauptbahnhof oder nach Tegel. Zwei Flaschensammler kamen nacheinander vorbei. Ein Punk pinkelte an den Eingang eines Juweliergeschäfts, sein Hund pinkelte daneben. Beide zuckelten weiter Richtung Spree.
Stiesel trank einen zweiten Kaffee und wollte gerade einen dritten bestellen, als Dagmar Söhnen mit einem Zettel an seinen Tisch trat. Darauf standen die Kontaktdaten der Vorbesitzer:
Michael und Frieda Lambert
, die E-Mail-Adresse hatte das Kürzel mt für Malta. Der Steuerberater wohnte in Frohnau im Norden. Das war günstig. Dann hatte Stiesel es nicht so weit zu Tenbrinks Party zum Fünfzigsten in Tegelort. Er zahlte seine beiden Kaffee und spazierte einmal über den Hackeschen Markt. Gegenüber von The Harp öffnete gerade ein Internet-Café seine Pforten. Stiesel würde von seiner Privatadresse an die Lamberts schreiben. Sie waren jetzt die Einzigen, die Verena Adomeits Verbindung zu The Harp aufklären konnten. Und wer war Lenka Husakova?
Pachulke wollte den Müll wegbringen, bevor er zu Tenbrink fuhr. Mittlerweile neigte er zur Ansicht, dass es sich um zwei Beziehungstaten von zwei verschiedenen Tätern handelte. Gut, es gab die Schminke, aber eben auch gravierende Unterschiede. Melanie Schwarz war erschlagen worden, Verena Adomeit hatte man erwürgt. Melanie Schwarz war früh gegen zwei Uhr auf einem unbebauten Grundstück ermordet worden, Verena Adomeit am helllichten Tag auf einem Friedhof inmitten einer belebten Wohngegend. Außerdem lagen zwölf Jahre zwischen den Taten, das war zu lang für jeden Serientäter. Sie mussten sich noch einmal intensiv mit dem Umfeld der beiden toten Frauen beschäftigen. Außerdem ließ ihm Stralau keine Ruhe. Er hatte die Protokolle der Haustürbefragungen alle noch einmal durchgelesen. Da war noch was, das ihm im Moment aber nicht einfallen wollte.
Jetzt waren erst einmal Haushaltpflichten zu erledigen. Er besah sich sein Gepäck: eine Papiertüte für das Altpapier, eine Plastiktüte für die Verpackungen. Außerdem eine biologisch abbaubare Plastiktüte für den Hausmüll, eine Plastiktüte für das Altglas. Die Batterien hatte er in der Jackentasche. Zwei CDs hatte er auch mitgenommen. Er wollte das üben. Wie es sich anfühlte, CDs wegzuschmeißen. Tonträger ganz allgemein. Später vielleicht auch mal eine Schallplatte. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihn bei diesem Gedanken. Er musste sich Zeit dafür nehmen. Hier und heute gingen der
Ballermann 6 Mix 2009
, den er bei einem Julklapp gewonnen hatte, und
Nightmare on Bourbon Street
, die erste und wohl auch letzte Platte aus dem Genre Dixieland Punk (Schlagzeug, Gitarre, Klarinette), in den Plastikschredder der Müsam, wie Müllsammelstelle allgemein hieß.
Die Müsam war nur drei Blocks die Straße runter und hatte auch am Sonntagvormittag geöffnet. Pachulke musste eine Nummer ziehen und warten. Währenddessen ging er im Kopf noch einmal den Fragenkanon der Müsam durch. Mit zügigen Antworten konnte man punkten. Schließlich stellte er seine Tüten auf den Tisch. Eine junge Frau mit einem blonden Pferdeschwanz trat an ihn heran. Sie trug eine figurbetonte grüne Uniform mit kurzen Hosen und grüne Gummistiefel. Der Pferdeschwanz wurde von einem grünen Haarband
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