Immer Schön Gierig Bleiben
die Gäste vom Sushi übrig gelassen haben, als Inspiration für eine Miniatur über die Fragilität des Lebens.
Der rote Thunfisch
So zart kann rohes Fleisch sein
Alge umhüllt dich
So wie ich Sushi auf meinem Teller vorfinden möchte, wünsche ich mir die Bewohner einer Stadt. Jeder für sich allein, frei verfügbar für die Zusammenstellung nach meinen individuellen Bedürfnissen. Bitte nichts mit Käse über- und zusammengebacken, da muss man erst mühsam mit dem Messer dreinfahren und sich sein Stück zurechtschneiden.
Das vor zwölf Jahren, das war kein Mord, das war ein Unfall. Ein schreckliches Unglück. Und das mit dieser Verena war Notwehr. Das wüsste ich, wenn es Mord gewesen wäre. Wenn man Jura studiert, muss man den Mordparagraphen in sich hineinfressen. Und als Nachschlag gibt es Totschlag. Und den besonders schweren Fall des Diebstahls. Und die acht Theorien zum Erlaubnistatbestandsirrtum, die alle rein akademische Bedeutung haben, weil der Bundesgerichtshof es anders sieht. Strafrecht ist mir viel zu destruktiv. Ich war immer der Typ, der etwas erschaffen wollte, nachhaltige Wertschöpfung betreiben. Vielleicht kam ich deswegen besser mit dem Zivilrecht klar. Trotzdem war die Materie so trocken, ich wäre fast verdurstet im Studium und wollte lieber etwas ganz anderes machen.
Jemand, der Jura studiert und schon weiß, dass er eigentlich etwas ganz anderes machen will, ist wie jemand, der sich eine Echthaarverlängerung machen lässt, obwohl er Skinhead werden möchte. Oder bei einem Yul-Brynner-Ähnlichkeitswettbewerb gewinnen. Völlige Zeit- und Geldverschwendung. Yul Brynner, toller Schauspieler übrigens.
Die glorreichen Sieben
, so ein bisschen wie
Sieben Zwerge allein im Wald
, bloß ohne Til Schweiger.
Ohne Theaterspielen wäre ich im Studium nicht über die Runden gekommen. In der studentischen Theatergruppe waren lauter Leute, die studiert haben, aber eigentlich etwas anderes machen wollten. Gut, bei Geographie oder Kirgisisch auf Lehramt ist klar, dass man später etwas anderes macht. Ich aber war der einzige Jurist. Arrabal haben wir gespielt.
Und sie legen den Blumen Handschellen an
hat zum Glück mit dem Strafvollzugsgesetz nicht das Geringste zu tun. Der Geist findet aus einem spanischen Gefängnis den Weg ins Freie. Oder
Der zerbrochene Krug
. Der erbrochene Krug. Erbrochen, erbrach, erbrecht. Erbrecht. Wer will noch die Befähigung zum Richteramt erwerben, wenn er sich die Figur dieses zutiefst peinlichen Dorfrichters erarbeitet hat? Dario Fo, Sarah Kane, Beckett, Jelinek, Brecht. Klar war ich auch wegen der Frauen in der Theatergruppe, wie jeder Mann, der nicht homosexuell war.
Irgendwann fand nämlich immer ein Theaterworkshop statt, zum Beispiel hundertfünfzig Kilometer weit weg in einer Jugendbegegnungsstätte im Schwarzwald. Und man lernte viele tolle Leute kennen, und mit einer knutschte man dann ein bisschen rum, und eine Woche hatte das Leben den Refrain: Hey Baby, alles geht!
Und dann wurde die Gruppe eingeladen zu einem Gastspiel, und beim geselligen Teil konnte man dann mit einer ein bisschen rumfummeln und ihr den Rock hochschieben. Sie trug einen Schlüpfer mit einer Eiswaffel darauf. Diese Eiswaffel fand ich extrem unerotisch, Retro-Pin-up-Stil der fünfziger Jahre. Aber ich konnte ja schlecht sagen:
Zieh dir bitte einen anderen Schlüpfer an
, oder gar:
Zieh ihn aus, weil er so hässlich ist
. Zieh ihn aus, weil du so schön bist, das wäre etwas anderes gewesen, das wäre sozialadäquat gewesen. Eine Frau geht einfach, wenn ihr der Schlüpfer eines Mannes nicht gefällt. Geht einfach zum nächsten, wenn ihr der Mann nicht gefällt. Aber als Mann nimmt man, was da ist. Und als der Workshop vorbei und die Erfolgsmomente verblasst waren, stopfte man sich in den prall gefüllten Kopf vor jeder Prüfung noch ein bisschen mehr hinein und fütterte sein sattes Hirn und nicht sein hungriges Herz.
Das Schwierige am Jurastudium war die Sorge um sich selbst, inmitten dieser lebensfeindlichen Materie. Das Schwierige an Frauen ist, dass sie nicht wissen, was sie wollen. Zum Beispiel: Bei diesen Workshops hatten wir natürlich auch Vorstellungsrunden, und einmal saß eine zierliche Frau mit Kräusellocken und einem Tanktop neben mir. Jeder sollte sagen, was er erreichen wollte in diesem Workshop. Ich frage mich noch heute, und sicherlich fragen sich das alle, die dabei waren: Warum hat sie nicht einfach gesagt,
Ich möchte gerne die Ophelia spielen und dabei so sehr
Weitere Kostenlose Bücher