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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Unterkunft hatte. Mit prall gefüllten Hosentaschen wollte ich nicht unterwegs sein. Dann suchte ich Maeve. Aber sie und ihre Begleiterin waren unauffindbar. Ich suchte überall, vor der Bühne, im improvisierten Kino, wo einige Pärchen schon miteinander knutschten, auf den Wiesen, in den Nischen zwischen den Büschen. Maeve mit ihrer sexy Entenbürzelfrisur war wie vom Erdboden verschluckt. Das war nicht weiter schlimm, mir liefen ständig Leute aus meiner und den anderen Schauspieltruppen über den Weg. Wir gratulierten uns, umarmten uns, fachsimpelten über die besten Momente und lobten die Aufführungen der anderen.
    Dann kam jemand von unseren Gastgebern und flüsterte mir ins Ohr: »Heute Nacht ab eins, Party am Teufelssee, aber das ist ein Insidertipp.«
    Jeder bekam diesen Insidertipp. Spät in der Nacht also. Am Teufelssee im Grunewald. Schick, schick. Man musste mit der S-Bahn fahren und ein Stück durch den Wald laufen. Lauschig, lauschig. In einer stillgelegten Abhörstation der CIA. Wie abgefahren. Gleich beim Nacktbadestrand. Hihi. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit gingen diese Informationen von Mund zu Mund. Dabei sein und die warme Sommernacht genießen. Bier zum Selbstkostenpreis. Ein fahrbares Soundsystem mit zwei DJs. Kondome und Drogen musste man selbst mitbringen. Und dann tanzen, bis der Morgen kommt oder die Polizei. Für einen kurzen Moment sprach die eine Party über die nächste Party, nur der Professor der Medientheorie kriegte nichts mit, weil er auf der Suche nach dem perfekten Nackensteak war.
    Viele sagten:
Kann man ja mal hingehen
. Einige sagten:
Och nö, nicht schon wieder ’ne stillgelegte Geheimdienstliegenschaft. Nicht schon wieder Stasi und CIA. Das ist ja so was von Achtziger. Abhörstation, das kommt uns schon zu den Ohren raus
.
    Ich war wild entschlossen, dieses Wochenende bis zum Anschlag auszukosten und setzte mich gegen Mitternacht mit einer Gruppe von Leuten in Richtung Teufelssee ab. Wie ich dort hinkam, weiß ich nicht mehr, ich hielt mich an die Ortskundigen. Als wir ein Stück durch den Wald getappt waren, hörten wir erst die Bässe und nach einer Weile auch die Höhen. Man hört immer als Erstes die Bässe. Wenn man in einer Nacht auf mehrere Partys geht, und es werden dieselben Stücke gespielt, entsteht im Kopf allmählich eine einzige Party. Eine einzige lange Nacht mit einem durchgehenden Soundtrack.
    Jetzt, hier in meinem Koben, gibt es keine Party und keine Musik. Ich muss still sein. Draußen höre ich Polizeisirenen und Sprechfunk. Sie suchen nach mir und ich halte den Atem an, grabe mich tiefer hinein in den Unrat, der mich schützt und verbirgt.

24
    Kurz nach neun Uhr am Sonntag floss in The Harp das Guinness noch nicht in Strömen. Nur ein frühes Touristenpaar saß draußen vor den S-Bahn-Bögen. Sie studierten den Reiseführer auf Koreanisch und tranken Milchkaffee. Stiesel betrat den Schankraum und schloss die Augen, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, die ihn umfing.
    »Hallo, Kleiner«, sagte die rothaarige Frau hinter dem Tresen. »Kommst du wegen dem Vorstellungsgespräch? Das ist erst morgen um elf, und du musst volljährig sein.«
    Stiesel seufzte und zeigte seine Polizeimarke. Die Frau hinter dem Tresen wrang das Spültuch aus und schüttelte den Kopf. »Von euch war doch schon einer hier, groß, blond, mit ’nem Pferdeschwanz.«
    »Mein Kollege Bördensen, richtig«, sagte Stiesel. »Ich bin über den Inhalt Ihres Gesprächs informiert. Sie sind Frau Söhnen.«
    »Bin ich. Und ich habe alles erzählt, was ich weiß. Möchtest du … möchten Sie einen Kaffee?«
    »Sehr gerne. Aber ich bin nicht in erster Linie wegen Verena Adomeit hier. Es geht um Melanie Schwarz.«
    »Nie gehört. Wer soll das sein?«
    »Sie hat 2001 hier gearbeitet, als der Pub noch The Swan hieß. Sie wurde am 24. Juni ermordet.« Er zeigte Dagmar Söhnen eine Farbkopie vom Foto von Melanie Schwarz und Lenka Husakova aus der Zeitung vom 7. Juni 2001, das er gefunden hatte.
    »Ist das bitter, so ein junges Mädchen.« Sie reichte das Bild zurück und schüttelte den Kopf. »Ich hätte nie gedacht, dass dieser Laden zwei jungen Frauen den Tod bringt. Für die meisten, die hier jobben, ist das die erste Station. Die Arbeit ist hart, aber es ist der Job, den sie sich ausgesucht haben.« Söhnen schüttelte sich.
    »Der oder die Täter haben die Morde begangen, nicht Ihr Laden. Die Morde können mit den Lokalitäten hier zu tun haben, das muss aber nicht so sein. Dass

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