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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Regale im Abstand von sechzig Zentimetern aufstellte und jedes Regal eine Tiefe von dreißig Zentimetern hatte … ach was, die Gänge mussten nicht breiter sein als fünfzig Zentimeter, er wollte ja abnehmen ab morgen. Pachulke zog ein Maßband hervor und kniete sich auf den Boden. Er konnte in der Einliegerwohnung wohnen, falls seine Wohnung am Lietzensee unrettbar dem Verfall anheimgegeben war. Notfalls würde er sich auch mit der Schwiegermutter arrangieren, wenn es gar nicht anders ging. Vielleicht interessierte sie sich für Lieder. Er hatte da ein paar schöne Einspielungen: Fischer-Dieskau, Quasthoff, Schreier. Er würde früh in den Keller gehen, das Musikprogramm für den gemeinsamen Kaffeeklatsch zusammenstellen. Nach zwei Jahren würden Tenbrinks jüngere Kinder ihn Onkel Pachulke nennen und …
    »Darf ich fragen, was Sie hier machen?«
    Pachulke fuhr herum und erkannte Tenbrinks Frau. Im Gegenlicht der Flurbeleuchtung wirkte ihr rotes Kleid beinahe schwarz.
    »Oh, Sie sind es. Was machen Sie denn hier?«, fragte Pachulke.
    »Das wollte ich eben von Ihnen wissen.« Frau Tenbrink klang weder sauer noch argwöhnisch, eher belustigt.
    »Ich habe … Ihren Kellerraum bewundert. Er ist trocken und sehr geräumig. Der Keller in meinem Mietshaus ist leider feucht. Da kann man nichts … da kann man höchstens Farbreste einlagern.«
    »Und weil er Ihnen so gut gefällt, messen Sie ihn aus.«
    »Ach, so ein wenig Aufmessen ist doch eigentlich ein ganz interessanter Zeitvertreib. Manchmal messe ich auch, ob die Autos nah genug am Bürgersteig geparkt haben. Früher war ich Streifenpolizist.«
    »Soso.« Frau Tenbrink hatte ein Einkaufsnetz mit Weinflaschen in der Hand.
    »Dieser Keller …« Pachulke leckte sich die Oberlippe. »Steht er schon lange leer?«
    »Lange genug«, sagte Frau Tenbrink, »aber damit ist jetzt bald Schluss.«
    »Schluss? Ich verstehe nicht.«
    »Unser Neffe wird in die Einliegerwohnung ziehen. Er hat eine Stelle bekommen am GeoForschungsZentrum in Potsdam.«
    »Aber wenn er in der Einliegerwohnung lebt …«
    »Er bringt seine private Gesteinssammlung mit.« Sie deutete auf den Brocken in der Mitte des Hobbykellers. »Das ist die erste Lieferung. Der Rest kommt auch hier rein.«
    Pachulke ächzte leise. Wirklich? Für eine Handvoll Steine? Die konnten genauso gut draußen im Garten liegen, zur Geröllhalde aufgestapelt.
    »Mit allem Drum und Dran. Regale, Beschriftungen, Kisten, bringt er alles mit. Zusammen wiegt das Zeug vier Tonnen. Aber die Kellerbodenplatte hält das aus, völlig unproblematisch. Er sagt, Steine kann man noch nicht digitalisieren, anders als Schallplatten zum Beispiel.« Sie lachte in sich hinein. »Ihr Kollege, der Herr Dorfner, hat sich auch nach dem Keller erkundigt. Der wollte da seine Gewichte einlagern. Wenn wir Fritz das nicht schon zugesagt hätten, dann wäre das möglich gewesen. Herr Dorfner macht ja einen sehr zuverlässigen Eindruck. Und warum soll man so viel Fläche sinnlos ungenutzt lassen?«
    »Ja, genau. Warum?« Pachulke redete lauter als beabsichtigt. »Dorfner ist nicht … Ach egal.« Er starrte auf den Boden, der vier Tonnen tragen konnte.
    »Ist Ihnen nicht gut, Herr Kommissar?« Frau Tenbrink trat in die Tür. »Kommen Sie doch mit nach oben. Sie können gerne ein paar geparkte Autos in der Straße abmessen, dann sind Sie wenigstens an der frischen Luft. Und ein Glas Blauer Zweigelt trinken Sie doch noch mit mir, oder?«
    Pachulke warf einen letzten Blick auf den Kellerraum. So nah am Ziel und doch so fern. Er rollte das Maßband zusammen und folgte der Gastgeberin in den Garten.

28
    Mittlerweile ist der Gestank hier in meine Kleider übergegangen. Hose und Jackett sind verschmiert und fleckig. Aber mein einziges Ziel im Moment ist es, nicht entdeckt zu werden. Und besudelte Oberbekleidung lässt sich ersetzen.
    Es war eine einzige lange Party mit einem durchgehenden Soundtrack in jener Nacht im Juni. Wir liefen am Teufelssee vorbei den Berg hoch und krochen durch ein Loch im Zaun. Im Scheinwerferlicht glotzten wir auf die Gebäude der ehemaligen Militäranlage, die seit zehn Jahren leer standen. Erst hieß es, der Wachschutz sei bestochen, man habe den Leuten einen Hundert-Mark-Schein und einen Kasten Bier zukommen lassen, dann hieß es, die Wachschützer seien auf der Party und tanzten inkognito ohne Uniform.
    »Biste zum Rumstehen hier oder was?«, sagte einer vom Empfangskomitee. »Du bist nicht auf ’ner Party, du bist die Party, also

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