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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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hol dir ’n Bier und beweg deinen Arsch.« Solchermaßen herzlich ermuntert, ging ich zur Theke und dann auf die Tanzfläche, die Bierflasche in der Hand. Ich ließ mich in den Rhythmus hineinfallen, folgte den Loops und Breaks, die Musik trug mich tiefer in die Nacht. Bis mich jemand auf die Schulter tippte. Es war Maeve. Sie tanzte, und ihr Kleid flog wie auf einem Dorfplatz, dabei war die Tanzfläche eine Betonplatte mitten im Wald. Sie zwinkerte mir zu. »Schön, dass du auch noch da bist.«
    »Ich habe dich gesucht, an der HdK.«
    »Meine Kollegin wollte nach Hause, der ging es nicht so gut. Ich bin aber noch eine Weile da gewesen. Warum hast du mich denn gesucht?«
    Mir fehlt das Talent, mich zu verstellen. Deshalb war meine Karriere als Schauspieler auch nur kurz. Auf der Bühne starb ich tausend Tode, weil ich schüchtern bin. Also zog ich mich zurück. Ich habe es nicht nötig, mich in den Vordergrund zu spielen, wenn andere etwas besser können als ich. Auf der Bühne stehen und vorgeben, ich sei ein anderer, das ging nicht wirklich. Aber das mit dem Schminken, das war mein Ding. Es lag ganz allein an mir, ob das Gretchen aussieht, als sei ihre Seele mit Persil gewaschen worden, Tag für Tag, oder ob man denkt, die hat ja ein Ekzem. Ein scheußliches Ekzem am Hals. Kann man alles hinschminken. Und der Kritiker der Lokalzeitung in der Unistadt fragt:
Wieso hat Gretchen ein Ekzem an ihrem zarten Halsansatz?
Und gleich gibt er die Antwort:
Das ist die Scham
. Und gleich danach würde er eine ebenso steile Gegenthese aufstellen, verpackt in eine rhetorische Frage:
Oder ist es der Katholizismus, der sich wie schwärendes Grind in die reine Seele und in den Halsansatz dieser jungen Frau gefressen hat?
Grind, Katholizismus, Scham und Persil, alles war mein Werk. Was ich aus den Gesichtern machte, war mein Werk. Sie gehörten mir, wenn sie zurückgelehnt auf dem Stuhl in der Garderobe saßen, ihre Gesichter gehörten mir. Sie waren die Leinwand für meine Ideen.
    »Du bist die Frau meines Lebens«, sagte ich und bekam einen Schluckauf.
    Maeve lachte. »Das ist das schönste Kompliment, das ich seit langer Zeit gehört habe.« Sie prostete mir zu, auch sie tanzte mit einer Bierflasche in der Hand.
    Und dann spazierten wir gleichzeitig von der Tanzfläche und sahen den Leibern zu, deren Bewegungen der Musik folgten. Dabei unterhielten wir uns über diese völlig irre Location und diesen völlig irren Zufall, dass wir uns noch einmal getroffen hatten und dass das wohl typisch war für diese völlig irre Stadt. Natürlich sagte ich, dass ich zu einer der Theatergruppen gehörte, und natürlich sagte sie: »Ui, toll.« Sie arbeitete als Kellnerin in einem Irish Pub am Hackeschen Markt und hatte ihren freien Abend. Dann erzählte sie, dass sie in ihrer Schulzeit auch Theater gespielt habe. In einem winzigen Kaff, dessen Namen ich sofort wieder vergaß, war sie aufgewachsen, und mit dem Bus war sie in die Schule gefahren und dort hatte es auch eine Theatergruppe gegeben. Vielleicht konnte sie das mal brauchen, denn sie wollte im Herbst studieren, was mit Medien. Und ich sagte: »Schade, dass wir am Sonntag schon zurückfahren«, und sie sagte: »Vielleicht kommst du ja wieder.« Als sie das mit dem Pub erzählte, dachte ich zum ersten Mal:
Fair Erin’s Daughter
. Denn das war sie, zauberhaft mit ihrem Lachen und ihren Gesten in dieser längsten aller Nächte.
    »Manchmal laufe ich einfach durch die Straßen und sehe mir die Häuser an«, sagte sie. »Es passiert so viel im Moment.«
    Es passierte wirklich viel in diesen Jahren, die neuen Häuser schossen aus dem Boden wie Pilze. Überall wurden Sachen abgerissen, die niemand mehr brauchte, an jeder Ecke konnte mit dem richtigen Gebäude zur richtigen Zeit ein Vermögen verdient werden.
    Wir schlenderten weg von der Tanzfläche hinunter zum Ende des Abhangs, so weit, bis wir die Musik nur noch als Klangteppich im Hintergrund hören konnten. Vor uns lag die Wasserfläche des Teufelssees.
    Als wir unser Bier ausgetrunken hatten, legten wir uns nebeneinander ins Gras und sahen in den Sternenhimmel.
    Und dann drehte sie sich zu mir und strich mir durchs Haar, und sie küsste mich und zog mich zu sich heran, und wir fielen übereinander her und liebten uns im Mondlicht. Ich war so laut, dass ich mich bis heute frage, ob uns niemand gehört hat.
    Als ich erwachte, war es später Vormittag. Maeve war verschwunden. Aber allein war ich nicht. Die ersten FKK-Badegäste hatten sich

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