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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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auf der Wiese breitgemacht. Sie musterten mich vorsichtig, als ich nackt und verkatert auf allen Vieren zum See kroch und so lange im kalten Wasser saß und schwamm, bis ich wieder wach war.
    Danach deckte ich mich notdürftig zu und schlief noch ein paar Stunden, bis mich der Regen weckte. Die Badegäste hatten sich unter die Bäume geflüchtet. Ich zog mich an und lief zur S-Bahn. Ich fuhr zum Alexanderplatz und kaufte mir Zahnpasta, Zahnbürste und eine Unterhose. In der Kaufhaustoilette machte ich mich frisch. Ich ging nicht zurück in unsere Unterkunft, weil ich keine Zeit hatte und niemandem begegnen wollte. Maeve gehörte mir, sie war mein Geheimnis und meine Eroberung. Ich wollte niemandem Rechenschaft ablegen und von niemandem seine Zweifel serviert bekommen. Ich war mir meiner Sache hundertprozentig sicher.
    Dabei war alles ein großes Missverständnis, ein Zusammentreffen unglücklicher Umstände. Ich dachte, sie ist die Frau meines Lebens, aber dann wurde ich zu dem Mann, der ihr den Tod brachte. Es war ein Unfall. Ein trauriges Missgeschick, ein blödes, kleines Missverständnis. Es war kein Mord. Mörder, das klingt so blöd, so knapp und direkt. Das Leben ist voller Missverständnisse. Nicht gänzlich unvermeidbar, aber im Grunde vollkommen überraschend für alle Beteiligten. Vor allem für sie.
    Während des Studiums war ich Praktikant in einer Kanzlei. Ich arbeitete für eine junge Rechtsanwältin, die Stress mit einem der beiden Chefs hatte. Er hatte sie auf dem Kieker, meinte sie, vor allem störte es sie, dass er dauernd über sein Auto redete und ihr regelmäßig den Rat gab, sich ein Fahrzeug der gleichen Marke zuzulegen. Wenn ich zum Aktenvortrag musste oder sie mit mir die Schriftsätze besprach, die ich für sie entworfen hatte, verwendete sie viel Zeit darauf, mir die Schandtaten ihres Chefs aufzuzählen und Rachedrohungen gegen ihn auszustoßen. Einerseits schmeichelte es mir, dass sie mich auf diese Weise ins Vertrauen zog, andererseits langweilten mich ihre Tiraden. Ich fand sie halbherzig und unentschlossen.
    Eines Tages sagte ich: »Warum zerschneiden Sie ihm nicht einfach die Reifen? Dann haben sie sich Luft verschafft und er ist nicht mehr auf dem hohen Ross.«
    Sie wurde dann sehr wortkarg, besprach nur das Allernötigste mit mir und sagte, ich könnte bald nach Hause gehen.
    Am nächsten Tag teilte mir die Sekretärin mit, dass mein Praktikum beendet sei, es gebe da dieses hässliche Gerücht und ja, ich könne das natürlich alles abstreiten, und es sei auch nichts zu beweisen, aber im Zweifel vertraue man da eher der Aussage der eigenen Angestellten als dem Praktikanten. Mir war das Verhalten der jungen Anwältin ein Rätsel und gleichzeitig egal, weil ich eine wohlwollend-neutrale Praktikumsbescheinigung über die volle Zeit bekam und ich mir dadurch einen Monat Praktikum ersparen konnte. So viel zum Thema Missverständnisse.
    Ich saß dann eine ganze Weile in einem Café und dachte über mein Leben nach. Über unser zukünftiges Leben, Maeve und ich, ich und Maeve. Gegen einundzwanzig Uhr fuhr ich zum Hackeschen Markt und fand den Pub. Es war ein Höllenbetrieb, aber ich hatte Glück. Maeve arbeitete draußen, an den Tischen, die am weitesten weg vom Eingang standen. Ich stand im Halbdunkel und beobachtete sie. Sie rannte unablässig mit den Tabletts hin und her und war so adrett in ihrer schwarzen Kellnerinnenkleidung. Federleicht eilte sie von Tisch zu Tisch, wischte sauber, brachte Bier, immer wieder vor allem Bier, denn es war auch an diesem Abend sehr heiß. Nachdem zwei große Tische gleichzeitig gezahlt hatten, wurde es für einen Moment ruhiger. Ich trat zu ihr, während sie leere Gläser zusammenräumte, die Tische sauberfegte, neue Bierdeckel in die Halter stellte.
    Als sie mich sah, hielt sie abrupt inne, dann zeigte sie mir ein wackeliges Lächeln. »Was machst du denn hier?«
    »Ich wollte dich unbedingt wiedersehen.«
    »Aber warum? Ich meine, gestern Nacht …«
    »Unsere Nacht gestern war mehr als ein Traum. Es war ein Anfang, der Anfang unserer Geschichte.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Kein Anfang, von nichts. Es war eine Nacht, aber nicht mehr. Und jetzt geh bitte, hier ist die Hölle los.«
    »Aber ich bin gekommen, um dir zu sagen …« Ich glaube, meine Stimme kippte, und mir wurde bewusst, dass ich merkwürdig ausgesehen haben muss in den Klamotten, auf denen ich geschlafen hatte, mit meinem kleinen Rucksack.
    »Was immer du sagen willst, ich möchte es

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