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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Jahrzehnt ist es was?«
    Pachulke trank noch einen Schluck. »Der Beruf. Wir entscheiden, was wir werden.«
    »Genau, wir stellen die Weichen. Und auch, wenn wir später umsatteln, wenn wir nicht schon einen Beruf erlernt haben, ist unsere Leben Anfang zwanzig voller Möglichkeiten und Ende zwanzig bereits bestimmt von einer Reihe getroffener Entscheidungen.« Tenbrink sah auf die Zigarettenglut, von der dünner Rauch nach oben stieg. »Wie ist der Wein? Sie trinken den Zweigelt, stimmt’s?«
    »Der ist ausgezeichnet, vielen Dank.« Pachulke richtete sich im Sofa auf. »Hat auch die richtige Temperatur.«
    »Nehmen Sie sich eine Flasche mit nach Hause. Wir trinken heute Abend niemals alles aus.«
    »Vielen Dank. Um auf den Schminker zurückzukommen …«
    »Der Schminker ist beim ersten Mord in einer völlig anderen Lebenssituation gewesen als beim zweiten Mord. Also sollte man das Motiv in seiner persönlichen Verfasstheit suchen. Was wollte er mit dem Mord erreichen oder vermeiden, als er zwanzig war und was mit zweiunddreißig? Hat das erste Opfer auch studiert?«
    »Nein, aber sie hatte eine Zusage für das Wintersemester an der Hochschule der Künste.«
    »Aha, und die zweite tote Frau hatte bereits mit dem Studium begonnen.«
    »Das heißt, dass der Täter auch studiert hat?«
    »Das heißt, dass die beiden Frauen gerade in der Phase waren, in der sich alles entwickeln sollte.«
    »Alles?«
    »Ja, alles: Studium, Partnerschaft, das Leben.«
    »Und mit dreißig? Mit dreißig hat man vielleicht schon wieder etwas zu verlieren, weil man sich etwas erarbeitet hat.« Tenbrink drückte die Zigarette aus, nahm den Aschenbecher und stand auf. »Ich werde meinem Nachbarn mal wieder beim Grill zur Hand gehen. Schicken Sie Dorfner raus, ich werde ihm das schönste Steak raussuchen. Der arme Teufel ist quasi obdachlos, weil sich der Vermieter künstlich aufregt. Ich glaube, wenn ich zwischen Wildschweinen und Vermietern wählen muss, würde ich keine Sekunde zögern. Wildschweine darf man auch mal abknallen, wenn sie es zu toll treiben.« Er ging zur Terrassentür. »Schauen Sie sich ruhig um, wenn Sie das Haus interessiert. Und Sie kriegen natürlich auch Ihr Steak.«
    Pachulke saß noch eine ganze Weile da und dachte über den Schminker nach, so wie Tenbrink ihn umrissen hatte. Tenbrink war kein Profiler, nicht einmal ein Psychologe, aber er dachte viel über die Menschen nach. Und es stimmte natürlich. Fritz Haarmann war Ende dreißig gewesen, als er mutmaßlich zum ersten Mal gemordet hatte, und Mitte vierzig, als er nach mehr als zwanzig Morden erwischt worden war.
    De Salvo, der Boston Strangler, war Anfang dreißig gewesen, als er anfing zu morden. Er tötete seine dreizehn Opfer im Lauf von etwas mehr als zwei Jahren.
    Pachulke dachte nach, wie er vor zwölf Jahren gewesen war und wie er mit Anfang zwanzig gefühlt und gedacht hatte. Er war ein anderer geworden. Beide Pachulkes waren übergewichtig, aber sonst gab es gravierende Unterschiede.
    Dorfner kam hereinspaziert. Er trug keine Ballonseide, sondern Denim und dazu ein einfaches blaues T-Shirt. Zabriskie hatte sich geirrt. Dorfner hatte sich entwickelt, Zuckerbrot (Freigang) und Peitsche (Büroarbeit) schlugen langsam bei ihm an.
    »Tenbrink wartet am Grill mit einem Steak auf Sie, Dorfner.«
    Als Dorfner draußen Witterung aufgenommen hatte, stand Pachulke auf. Das eine Glas Rotwein war ihm zu Kopf gestiegen. Er fand eine Toilette und betrachtete sein Spiegelbild. Es sah so zerfurcht und zugleich aufgedunsen aus wie immer in den letzten Jahren. Langsam kroch das Depotfett auch unter seine Gesichtshaut. Wenn das so weiterging, würde man ihn nicht mehr als den Dicken titulieren, sondern als den mit den Schweinsäuglein. Das ging so nicht weiter. Und absaugen oder so ein Blödsinn kam nicht in Frage.
    Er warf sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht und machte sich auf die Suche nach der Kellertreppe. Unten angekommen inspizierte er die Räume. Es gab einen Vorratskeller mit einer großen Kühl-Gefrier-Kombination, Holzregalen mit Konserven und den aufgestapelten Weinkisten. Tenbrink hatte mächtig eingekauft. Nebenan war der Wäschekeller, daneben brummte der Heizbrenner. Schließlich fand Pachulke den Hobbykeller. Er trat ein und durchmaß den Raum mit abgezirkelten Schritten. Dieser war etwa acht Meter lang und wohl fünf Meter breit. In der Mitte lag ein großer, dunkel gesprenkelter Naturstein. War das ein Gestaltungselement für Tenbrinks Garten? Wenn man

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