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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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nicht hören.« Maeves Lippen wurden zu einem schmalen Strich, sie pustete sich eine Strähne aus der Stirn.
    »Ich kann warten, bis du hier fertig bist, dann reden wir in Ruhe.«
    »Nein, wir reden gar nicht. Nicht in Ruhe und nicht später. Vergiss es einfach, vergiss mich. Du gehst jetzt, sonst holt mein Chef die Polizei. Verschwinde.«
    Wie in Trance lief ich quer über den Hackeschen Markt, dann die Oranienburger Straße entlang. Den Huren schenkte ich keine Beachtung. Ich ging ins Tacheles, das hatte ich mir sowieso anschauen wollen. Ich war verblüfft, dass es den Besetzern geglückt war, ihr Relikt so lange über die Zeit zu retten, und fragte mich, was danach kommen würde. Unterlag die Ruine dem Denkmalschutz? Wie groß war das Grundstück? Gab es etwas in dieser Gegend, was dringend gebraucht wurde?
    Durch das Gebäude bewegte ich mich wie ein Geist. Ich lugte in viele Ateliers, staunte über die unglaubliche Verschmutzung, dann geriet ich in ein Konzert, aber ich hörte nichts. Ich trank ein Bier, aber ich schmeckte nichts.
    Schließlich ging ich ein paar Straßen weiter und fand ein sehr gutes Sushi-Restaurant, das gar nicht teuer war. Beim Anblick der mit solcher Raffinesse zusammengestellten Köstlichkeiten kehrte mein Denkvermögen allmählich zurück. Sollte ich mich in Maeve so getäuscht haben? Wie konnte sie so abweisend sein, ohne mich überhaupt angehört zu haben?
    So gegen zwei lief ich zurück zum Hackeschen Markt. Ich wollte mit dem Nachtbus nach Hause fahren, das dauerte zwar länger, aber der Bus würde mich direkt bis nach Moabit bringen. Als ich zum Hackeschen Markt kam, warteten viele Menschen in der Dunkelheit. Zur vollen Stunde tauchten dann wie abgesprochen sieben oder acht Busse aus dem Nichts auf. Ich sah die Endhaltestellen, die mir alle nichts sagten und alle furchtbar abgelegen klangen, und wühlte mich zu dem Bus durch, der zur Turmstraße fuhr.
    Mein Wohnheim war ein paar Straßen weiter. Ich bemerkte erst gar nicht, dass Maeve und ich im selben Bus saßen, so sehr war ich in meinen Gedanken versunken. Und dieser Nachtbus war so voll, geradezu gestürmt hatten ihn die Passagiere am Hackeschen Markt. Maeve hat mich auch nachher nicht bemerkt, als ich ganz hinten im Bus saß, aber ich habe sie gesehen. Sie hatte den Kopf an die Scheibe gelehnt und sah hinaus in die Nacht.
    Ich übte die kleine Rede, die ich ihr über unsere gemeinsame Zukunft halten wollte. Als sie ausstieg, folgte ich ihr.
    Wir liefen über einen alten Spielplatz, und als sie in der Mitte des Geländes war, machte ich mich bemerkbar. Sie fuhr herum, und ich erschrak, weil sie so müde aussah. Diese Nachtschicht hatte sie ein paar Jahre älter gemacht. Und die Nacht davor war auch sehr kurz gewesen. Eine Woge aus Erinnerung und Erregung stieg in mir hoch.
    »Ich bin’s«, sagte ich und trat einen Schritt vor.
    Aber Maeve wollte sich nichts anhören, sich nicht anfassen lassen, nicht meine Hand nehmen, sie wollte nur ihre Ruhe. Und da, in dieser Situation, habe ich eine hastige Bewegung gemacht und sie irgendwie gestreift, sie hauchdünn touchiert. Sie verlor das Gleichgewicht und knallte mit dem Kopf auf eine Kante und war tot.
    So liegenlassen konnte ich sie natürlich nicht, das hätte mir zu weh getan, also legte ich sie ordentlich hin und schminkte ihr Gesicht nach. Selbst im Licht der Straßenlaterne sah sie gleich viel entspannter aus. Die Härte um die Mundwinkel, die Schatten unter den Augen, die Blässe, die aus der Müdigkeit kam. Es war ein letzter Liebesdienst. Ich verließ den Spielplatz und ging zu meiner Unterkunft, und eine tiefe Traurigkeit befiel mich.

29
    Zabriskie sah von der Spülmaschine auf, als Dorfner in die Küche trat. »Ich hätte nie gedacht, dass es so schön sein kann, unser Frühstücksgeschirr einzuräumen«, sagte sie.
    Dorfners Stirn und Oberkörper glänzten vor Schweiß. Er legte einen Löffel in die Besteckschublade der Spülmaschine. »Ich hätte nie gedacht, dass es so schön sein kann, gemeinsam Verantwortung für den Haushalt zu übernehmen. Danke, dass du mir über das Babyfon Bescheid gesagt hast.«
    Zabriskie trat an Dorfner heran und fuhr mit der Zunge über seinen Arm. »Ich hätte nie gedacht, dass es so schön sein kann, deinen schweißnassen Bizeps abzulecken.«
    Dorfner machte sich am Wäscheständer zu schaffen. »Ich hätte nie gedacht, dass es so schön sein kann, deine Seidenslips bei neunzig Grad zu waschen und dann zum Trocknen aufzuhängen. Dir stehen

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