Immer verlasse ich dich
der Oscar nichts mit Baseball zu
tun haben. Die große Frage ist, antworte ich ihm im gleichen Stil, entschuldige
ich mich oder berichtige ich ihn? Letztere Lösung ist stets am verlockendsten
und gewöhnlich auch völlig sinnlos. Während ich diese Überlegungen anstelle,
sagt er:
»Natürlich gibt’s ja auch noch den
Emmy, aber der zählt ja wohl nicht soviel, oder?«
»Nein, er zählt nicht soviel«, höre ich
mich antworten.
»Ich will den Emmy nicht
schlechtmachen«, versicherter, »aber die beiden anderen sind wichtiger.
Fernsehen bleibt nun mal Fernsehen.«
»Ja, genau«, sage ich und versuche, um
ihn herumzugehen. Er versperrt mir den Weg. O Mann!
»An meiner Mütze können Sie sehen, daß
ich ein Mets-Fan bin.« Er dreht die Mütze herum, steckt den Pferdeschwanz durch
die Öffnung hinten. »Sie auch?«
Folgendes Dilemma: Wenn ich sage, nein,
ich bin kein Mets-Fan, könnte ihn das aufbringen, eine schlimme Reaktion
auslösen. Sollte ich andererseits ja sagen, könnte er mich stundenlang hier
festhalten und mir Statistiken liefern oder Betrachtungen darüber anstellen,
welche der anderen Mannschaften den Mets Konkurrenz um den Pulitzer-Preis machen
könnte! Ich beschließe, die Verzögerung zu riskieren.
»Ich habe keine Ahnung von Baseball.«
Ich halte die Luft an.
»Baseball?« fragt er ungläubig. Dann
schüttelt er voller Empörung den Kopf und geht um mich herum. Dabei murmelt er
wieder und wieder Schimpfworte.
Ich bin frei! Ich hüpfe fast die Straße
hinunter, als ob ich im Lotto gewonnen hätte. Mein erster Gedanke ist, Kip
davon zu erzählen, mein zweiter, Meg. Und das Hochgefühl, das ich empfinde,
weil ich den Irren ausgetrickst habe, entweicht zischend wie Dampf aus einem
Kessel. Du wirst Meg niemals mehr etwas erzählen, sage ich mir. Niemals. Die Traurigkeit macht mich ganz benommen, und plötzlich finde ich mich vor
Megans Laden auf der Greenwich Avenue wieder.
Außer dem üblichen gelben Absperrband, das
den Schauplatz eines Verbrechens markiert, sind noch andere Sachen auf dem
Gehsteig: Blumen in Vasen, Karten, die verschiedensten Dinge. Ich habe das
letztemal etwas Ähnliches gesehen, als der Schauspieler Charles Ludlum an Aids
starb und der Gehsteig vor seinem Ridiculous Theater mit zahllosen Zeugnissen
der Liebe und des Schmerzes übersät war.
Ich beuge mich zu einem Strauß aus
gelben Rosen hinunter und lese die Karte:
Liebste Megan,
wir lieben dich, du wirst uns auf immer
fehlen.
Jim & Sally
Auf einer Karte neben einer Vase mit
roten Tulpen:
Megan,
Du wirst uns fehlen und unvergeßlich
bleiben.
Rocco und seine Brüder
Meg,
es gab nie jemanden wie dich und
es wird nie wieder jemanden wie dich
geben.
Niemand kann dich ersetzen.
Ein Teil von uns stirbt mit dir.
Jane & Arlene
Zu dieser Karte gehört ein großer
Strauß Gänseblümchen.
Ich schluchze. Es gibt noch Dutzende
weiterer Karten, aber ich kann es nicht ertragen, sie zu lesen. Ich lehne mich
gegen das Gebäude, nicht imstande, meinen Tränenstrom einzudämmen. Ich wußte
zwar, daß man Megan in der Gemeinde sehr gern mochte, hatte jedoch keine
Ahnung, in welchem Maß man sie liebte und achtete.
Ich spüre die Anwesenheit eines anderen
Menschen und schaue auf.
Er ist jung. Für mich sieht er wie
fünfzehn aus, doch ich weiß, daß er älter sein muß, weil er die Uniform eines
Portiers trägt. Ich nehme an, daß er in dem Gebäude an der Ecke 10th arbeitet.
Er hat einen komischen blonden Bart, der von den Koteletten ausgeht und sich
unter seinem Kinn entlang zieht wie der Riemen eines Helms. Seine blaßblauen
Augen wirken wie ein Accessoire zu seiner Uniform. Ich kann spüren, daß er
verlegen ist, nicht weiß, was er tun oder sagen soll. Ich habe Erbarmen mit
ihm. »Mir geht’s gut«, sage ich.
»Sind Sie sicher?«
»Klar.«
»Ich meine, ich kann auch jemanden
rufen. Möchten Sie, daß ich jemanden rufe, weil es nämlich meine moralische
Pflicht ist, es zu tun, wissen Sie?«
Wen würde er denn rufen? frage ich
mich.
»Mir geht’s wirklich gut.«
»Da hinten an der Ecke gibt’s ein
Telefon, und meine Berechtigung würde es legalisieren.«
Wovon redet er da?
»Ich finde, Sie sollten mich jemanden
rufen lassen, Lady. Unter diesen Umständen ist es meine Pflicht, darauf zu
bestehen.«
Ich erschrecke, als jemand meine
Schulter berührt. Ich drehe mich um und sehe eine Frau, mit Tränen in den
Augen. Sie kommt mir irgendwie bekannt vor, Ende dreißig, mit hellbraunem Haar,
das
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