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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
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in winzigen Löckchen von ihrem Kopf absteht, und Haut, so weiß wie
Banknotenpapier. Sie trägt ein grünes Hemd, Jeans und braune Sandalen.
    »Sind Sie in Ordnung?« fragt sie.
    Ich nicke schniefend.
    Der Portier sagt zu der Frau: »Ich
wollte jemanden rufen, aber ihre Freundin wollte die Angelegenheit nicht
vorantreiben.«
    Die Frau sagt: »Ist schon gut, Harry.
Ich kümmere mich um sie.«
    »Wenn Sie Hilfe brauchen, ich bin
bevollmächtigt, sie Ihnen zu gewähren.«
    »Danke«, sagt die Frau und führt mich
zum Bordstein, ein Stück von Megs Laden weg.
    »Heute habe ich das Gefühl, als ob
jeder eine andere Sprache spricht«, sage ich.
    Sie lächelt. »Das ist typisch Harry. Er
will dazulernen, deshalb liest er ständig im Wörterbuch, er weiß bloß nicht,
wann erweiche Worte benutzen muß. Waren Sie eine Freundin von Meg?«
    »Ja. Und Sie?«
    »Ja. Mir gehört die Boutique die Straße
hoch.« Sie zeigt zur Seventh Avenue zurück. »Cicero’s.«
    Jetzt weiß ich, warum sie mir bekannt
vorkommt.
    »Bin seit vier Jahren dort. Sieben
Überfälle.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Die
Frau reicht mir ein Taschentuch. Ich danke ihr, wische mir über die Augen,
schneuze mir die Nase und stopfe den nassen Klumpen in meine Tasche.
    »Wir haben alle versucht, Meg dazu zu
bewegen, sich eine Alarmanlage zu leisten, aber sie meinte, sie sei schon ewig
hier und noch nie habe sie jemand belästigt. Wir sagten, es gäbe immer ein
erstes Mal, doch es nützte alles nichts, verstehen Sie, was ich meine?«
    Ich lächle in der Erinnerung.
    »Stur.«
    »Ja.«
    Sie streckt die Hand aus. »Ich bin
Arlene Kornbluth.«
    Wir geben uns die Hand. »Wie in Jane
und Arlene?« Ich zeige auf die Gänseblümchen.
    »Ja«, sagt sie scheu, vorsichtig.
    Ich verstehe ihre Angst; die Schikanen
gegen Schwule gehen weiter. »Ist schon gut. Ich bin Lauren Laurano wie in Kip
und Lauren.«
    Arlene wirft mir einen verwirrten Blick
zu, und dann fällt mir ein, daß der Name Kip nichts über das Geschlecht
aussagt.
    »Kip ist eine Frau«, erkläre ich.
    Sie grinst, wesentlich entspannter, und
schüttelt mir überschwenglich die Hand. Wir werden stets eine Minderheit
bleiben, und wenn man andere trifft, die genauso sind, ist das wie die
Zugehörigkeit zu einer geheimen Schwesternverbindung. Wir werden vielleicht 1
keine dicken Freunde, aber wir verfügen über ein Maß an Gemeinsamkeit, das
Heterosexuelle nicht haben können. Es gibt Dinge, die man voraussetzen kann,
wie das Wissen um Unterdrückung. Wir verstehen uns ohne Worte.
    »Woher kannten Sie Meg?« fragt sie.
    Ich erzähle es ihr.
    Auf ihrem Gesicht spiegelt sich mein
Schmerz, »Mensch. Es tut mir leid. Es muß ein Alptraum für Sie sein.«
    »Ja. Ja, es ist ein Alptraum.« Mir war
nicht bewußt geworden, daß es tatsächlich so ist. Ein Teil meines Problems
liegt darin, daß ich irgendwo erwarte, aufzuwachen.
    »Sie waren es nicht, wissen Sie.«
    »Wie bitte?«
    »Es waren nicht die Arschlöcher, die
sie überfallen haben. Die waren schwarz. Der Killer war weiß, hatte hellbraunes,
fast blondes Haar.«
    »Sie haben gesehen, wer sie getötet
hat?« Ich staune.
    »Ich habe ihn kurz gesehen. Ich war in
meinem Laden, hörte dann den Schuß und rannte hinaus. Ich sah, wie der Typ aus
dem Geschäft kam, in Richtung Charles rannte und dann um die Ecke bog.« Sie
holt tief Luft. »Ich habe sie gefunden. Megan.«
    Jetzt bin ich an der Reihe, entsetzt
und mitfühlend zu sein. Ich lege die Hand auf ihren Arm, drücke ihn. Demnach
weiß die Polizei, weiß Cecchi, daß es nicht die Räuber waren, die Meg erschossen.
    »Es ist verrückt, nicht wahr?« fragt
sie.
    »Was?«
    »Daß Meg zweimal an einem Abend
überfallen worden sein soll, nachdem sie bis dahin noch nie überfallen
wurde.«
    Es ist wirklich verrückt, und ich habe
meine Zweifel, ob es so gewesen ist. »Ja. Verrückt.«Ich schaue auf meine Uhr.
»Ich muß los. Ich habe eine Verabredung mit Megs Tochter, um einige
Vorkehrungen zu treffen.«
    Das Wort Vorkehrungen hallt nach
wie der Klang einer Glocke.
    »Die Tochter, ja? Die interessiert das
doch überhaupt nicht.«
    »Warum sagen Sie das?«
    »Ich dachte, Sie wären eine alte
Freundin von Meg«, sagt Arlene mißtrauisch.
    »Das bin ich. War ich. Ich möchte nur
gern wissen, was Meg Ihnen über Blythe erzählt hat, daß Sie so etwas sagen.«
    »Es ist nicht so sehr das, was Meg mir
erzählte. Ich habe selbst einiges mitgekriegt, verstehen Sie?«
    »Zum Beispiel?«
    »Ihre Haltung. Blythe nimmt

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