Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
Vom Netzwerk:
auch?«
    Er sieht mich an, als hätte ich ihn
gerade gefragt, wer in Grant’s Gruft begraben liegt. »Na ja, es ist doch jetzt
vorbei.«
    Wie können die Leute bloß denken, daß
mit der Beerdigung auch die Trauer beendet ist?
    »Nein, ist es nicht, Jim. Zum Beispiel
haben wir den Mörder noch nicht gefaßt. Es ist also ganz sicher noch nicht
vorbei.«
    »Stimmt.« Vorsichtig glättet er mit der
Hand sein scheußliches schwarzes Toupet.
    Ich zeige auf die Motorradjacken. »Wer
kauft die?«
    »Überwiegend Gobis.« Ausgesprochen wie
Gobees.
    »Was sind Gobis?«
    »Gay outlaw biker impersonators.«
    »Was ist denn das?«
    »Sie kennen doch die Hell’s Angels und andere
Gangs von der Sorte? Tja, diese schwulen Typen imitieren sie. Meistens haben
sie nicht mal Motorräder. Sie verkleiden sich und gehen in bestimmte Kneipen.
Abgesehen von den Jacken, ist der Look, auf den sie stehen, ziemlich schäbig
und schmutzig. Törnt die Leute an.«
    »Sie anzuschauen oder sich so
anzuziehen?«
    »Beides, schätze ich.«
    Manchmal verstehe ich schwule Männer
überhaupt nicht. Ich versuche, mir eine vergleichbare lesbische Masche
einfallen zu lassen und muß passen.
    »Was hört man da, daß wieder jemand in
Megs Geschäft ins Jenseits befördert wurde?« Jim stellt die Frage ganz im Stil
eines harten Burschen.
    »Was wollen Sie darüber wissen?«
    »Na, zum Teufel, was ist passiert?«
    »Ein Mann wurde im Keller ermordet
aufgefunden.«
    »Im Ernst?« Er hebt seine feinen
Augenbrauen.
    »Ein kleiner Dieb.«
    »Betrüger?«
    »Möglich.«
    »Wie haben sie ihn erledigt?«
    Mir fällt auf, daß er den Plural
benutzt, aber das muß nichts bedeuten.
    »Erschossen.«
    »Dann war es vielleicht ein und
derselbe Schütze.« Ich mache mir nicht die Mühe, ihn zu informieren, daß die
Polizeileute festgestellt haben, daß die Kugeln aus zwei verschiedenen Waffen
stammen. Und ich habe diese jämmerliche Imitation eines Krimidialogs satt.
    »Kannten Sie Meg lange?« wechsle ich
plötzlich das Thema, um ihn zu überrumpeln.
    »Etwa fünf Jahre. Seit ich den Laden
eröffnet habe.«
    »Waren Sie an der Transaktion
beteiligt?«
    Er blinzelt einmal, was alles und jedes
bedeuten könnte. »Transaktion?«
    »Dem Schwindel.«
    »Schwindel?« fragt er, als hätte er das
Wort nie zuvor gehört.
    »Hören Sie, Jim, wenn Sie etwas wissen,
wäre es klüger, es mir zu erzählen.«
    »Ich weiß gar nichts«, sagt er schnell,
holt einen Lappen und ein Spray hervor und fängt an, den Tresen zu säubern, als
sei das Glas völlig verdreckt.
    »Vielleicht weiß Sally etwas?«
    »Sally?« Er hört auf zu wischen. »Wieso
sollte Sally etwas wissen?«
    »Ich nehme doch an, sie war eine
Freundin von Meg.« Wie kommt es, überlege ich, daß ich, wenn diese Leute so
gute Freunde von Meg waren, nie etwas von ihnen gehört habe? Wie kann ich mich
das fragen? Ich ignoriere weiterhin die Beweise.
    »Nun ja, sie waren wohl ziemlich eng
befreundet, nehme ich an.«
    »Enger befreundet als Sie und Meg?«
    »Anders. «Er will mich jetzt nicht
ansehen. Dann geht mir ein Licht auf. Womöglich ist er Thema Nr. 1, Megs
geheimer Liebhaber.
    »Hatten Sie eine Affäre mit Meg?«
    »Mein Gott«, sagt er, Schweißperlen
stehen ihm auf der Stirn wie winzige Bläschen. »Das war vor langer Zeit. Sally
hat es nie erfahren.«
    Und ich auch nicht, denke ich. »Wann war es genau?«
    »Etwa vor zweieinhalb Jahren. Es
dauerte nur einige Monate.«
    »Wie viele?«
    »Neun.«
    »Das ist doch schon recht lange.
Bettgeflüster?«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Sicher hat Meg Ihnen erzählt, was sich
in Ihrem Leben so tat, als Sie mit ihr schliefen.«
    »Wissen Sie«, sagt er und kreuzt dabei
die Arme über seiner knochigen Brust. »Das Komische an Meg war, daß ich sie nie
dazu bringen konnte, von sich zu erzählen. Sie stellte viele Fragen, wollte
selbst aber nie welche beantworten.«
    »Und wie war sie bei Sally?«
    »Genauso. Hielt dicht, sozusagen. Aber
an ihrem Gegenüber war sie immer echt interessiert.«
    Ich war ihr einmal sehr wichtig gewesen
— und trotzdem, sie sagte mir... nichts.
    »Sie sind Mitglied der Merchants
Association?«
    »Richtig.«
    »Worüber haben Sie vor ein paar Wochen gestritten?«
    »Gestritten?«
    »Draußen vor Megs Geschäft.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    Er lügt und wird aller
Wahrscheinlichkeit nach nicht mit der Wahrheit rausrücken.
    »Haben Sie je zwielichtige Gestalten in
ihr Geschäft gehen sehen?«
    »Lauren, in dieser Gegend sehen wir nur solche

Weitere Kostenlose Bücher