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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
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aber Sie erinnern
sich wahrscheinlich nicht an sie. Sehen Sie, genau das meine ich.«
    »Ich erinnere mich noch gut an sie.«
    »Tatsächlich?«
    »Ich habe sie in alten Filmen gesehen.«
Sie sang und war ein Einfaltspinsel.
    »Meine Mutter liebte sie«, sagt sie und
die Stimme versagt ihr. »Ja, ich glaube, meine Mutter liebte sie sogar mehr,
als sie mich liebte.« Ihr Gesichtsausdruck wechselt von glückseliger
Schwärmerei zu zynischem Realitätssinn. »Ich meine, was zum Teufel hat sie sich
dabei gedacht? Daß ich singen könnte, nur weil sie mich Deanna genannt hat?
Dumme Kuh.«
    Ich weiß nicht, was ich darauf sagen
soll, und befürchte, daß sie drauf und dran ist, eine Predigt zu halten,
deshalb erinnere ich sie wieder an Blythe.
    Sie sieht mich mit zusammengekniffenen
Augen an. »Italienerin?«
    Ich nicke. Warte.
    »Sie sollten sich schämen«, sagt sie.
    Darauf bin ich nicht vorbereitet, und
ich versuche, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Weswegen?«
    »All diese Menschen, die Sie umbringen,
die Drogen und so weiter.«
    »Ms. Rosner, ich bin kein Mitglied der
Mafia, und aus meiner Familie ist auch niemand dafür verantwortlich. So wie es
bei den meisten Italienern der Fall ist.«
    »Ach ja? Und was ist mit Al Pacino?«
    »Pacino ist Schauspieler.«
    »Und De Niro? Wollen Sie mir
weismachen, daß auch er nur ein Schauspieler ist?«
    Die Frau ist wahnsinnig. »Nein«, sage
ich langsam, »De Niro ist von der Mafia.«
    »Genau das meine ich.«
    »Gut. Konnten Sie jetzt bitte Ms.
Benning Bescheid sagen?«
    Sie tut es. »Sie empfängt Sie gleich«,
sagt sie und klingt überrascht.
    Ich bedanke mich bei ihr und durchquere
den Raum, um ein häßliches Gemälde anzustarren, bloß damit Rosner mich nicht in
ein weiteres Gespräch verwickeln kann. Wegen meines durchnäßten Zustands setze
ich mich nicht auf die graue Polsterbank.
    »Ms. Laurano?«
    Ich drehe mich um und sehe eine junge
Frau in einem schwarzem Lederrock von der Größe eines Flickens. Dazu trägt sie
eine weiße Seidenbluse und extrem hohe Stöckelschuhe von der Art, die man schon
einmal für endgültig passe gehalten hat.
    »Ich bin Ms. Bennings Sekretärin, Ellen
Holland. Würden Sie mir bitte folgen?«
    Ellen Holland gibt sich alle Mühe, so
zu tun, als sähe ich wie ein normaler trockener Mensch aus, es gelingt ihr
jedoch nicht ganz. An ihren Wangen zuckt es leicht, wie die Echoimpulse auf
einem Herzmonitor.
    Als wir an Deannas Tresen vorbeikommen,
sagt sie gedämpft: »Und Marlon Brando. Was ist denn mit ihm, hm?«
    »Kein Italiener«, sage ich über meine
Schulter.
    Ms. Holland scheint uns nicht zu hören,
und ich folge ihr durch eine Tür und einen Korridor hinunter, nach links,
rechts, wieder links, und dann bleibt sie stehen.
    »Ms. Benning finden Sie hier.« Sie
klopft einmal und öffnet die Tür. »Ms. Laurano«, verkündet sie.
    Ich gehe hinein. Es ist ein hübsches
Büro, aber klein. Das Mobiliar ist funktional. Es gibt kein Fenster. Mir ist
klar, daß Blythe keinen hochbezahlten Job hat, und wieder einmal frage ich
mich, wie sie es schafft, ihren Lebensstil zu finanzieren.
    »Du siehst allerliebst aus«, sagt
Blythe.
    »Danke. Das kommt von der ganzen Wut.«
    »Und ich dachte, es kommt von dem
ganzen Wasser.« Sie lächelt falsch.
    »Nicht schlecht.«
    »Warum hast du mir nicht gesagt, daß du
kommst?«
    »Damit du noch einen Kuchen gebacken
hättest?«
    »Hm?«
    »Nichts.« Deanna Rosner hätte es
verstanden.
    »Ich würde dich ja bitten, Platz zu
nehmen, aber ich habe leider kein Surfbrett da.«
    »Dafür hast du einen Stuhl.« Ich setze
mich.
    »Hey!«
    »Es ist bloß Wasser. Das trocknet
wieder.«
    Blythe trägt ein teures graugestreiftes
Power-Kostüm und eine gelbe Seidenbluse. »Darf ich fragen, weshalb du keinen
Schirm benutzt hast?«
    »Nein. Darf ich fragen, woher du dein
Geld hast?«
    Sie holt eine Zigarette aus einem
silbernen Kästchen, klopft damit auf den Schreibtisch, nimmt sie zwischen die
Lippen und zündet sie mit einem silbernen Feuerzeug an. »Was soll das heißen?«
    »Welchen Teil des Satzes hast du nicht verstanden?«
    Sie bläst den Rauch durch die Nase.
»Ich arbeite für meinen Lebensunterhalt, falls du das noch nicht bemerkt hast.«
    »Und wieviel verdienst du ungefähr,
fünfundzwanzig, dreißigtausend?«
    Sie antwortet nicht, doch ihre Wangen
färben sich rot wie ein weißes Tischtuch mit Weinflecken.
    »Irgendwie paßt das nicht zusammen. Ich
meine, deine Wohnung, deine Kleidung, Schmuck und...«
    »Ich

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