Immer wenn er mich berührte
Minuten gewartet, da sagte der Taxichauffeur immer noch grinsend: »Aha – jetzt kommt schon die Puppe angetanzt. Schlechten Geschmack hat der Junge nicht.«
Gaby faßte sich mit beiden Händen an die Schläfen, starrte durch die Windschutzscheibe nach vorn.
Nicht umsonst habe ich die Tote gefürchtet, dachte sie. Das Mädchen da vorn ist ihr Ebenbild. So, genau so muß seine Frau ausgesehen haben. Er hat sich nie davon frei machen können. Jetzt hat er wieder dieses Engelgesicht gefunden, das Püppchen mit den goldenen Haaren, die reinen, blauen Augen, die zierliche Gestalt …
Nein, überlegte sie sich, hier hatte sie es nicht mit einem billigen Seitensprung zu tun. Diese Blondine, die jetzt zu ihm ins Auto stieg, war viel gefährlicher. Sie war ein anderes Wesen als sie, eine leibhaftige Erinnerung an die Tote …
»Los, fahren Sie«, stieß sie erregt den Fahrer an.
Die Fahrt führte durch die halbe Stadt, durch die Außenbezirke, an die äußerste Peripherie. Zum Glück war der Taxichauffeur geschickt und verlor keinen Augenblick die Spur.
»Wo sind wir denn eigentlich?« fragte Gaby, als die Häuser aufhörten. Sie hatte jede Orientierung verloren.
»Hier beginnt der Ebersberger Forst, und leider hört hier die Geschwindigkeitsbegrenzung auf. Sein Wagen macht spielend zweihundert. Wenn er richtig Gas gibt, sehen wir nur noch seine Auspuffrohre.«
Diese Befürchtung traf nicht zu. Jürgen ließ sich Zeit. Durch das Rückfenster glaubte sie zu erkennen, daß er seinen Arm um das Mädchen gelegt hatte.
Bei Kilometerstein 10 bog er plötzlich rechts in eine Schotterstraße ein, die geradewegs in den Wald führte.
»Soll ich ihm da auch nach?«
»Ja. Schnell.«
»Und was mache ich, wenn er anhält?«
»Dann fahren wir vorbei und halten nach der nächsten Biegung. Ich steige aus, und Sie warten so lange, bis ich wieder zurückkomme.«
Gaby redete wie im Fieber.
»Sie müssen mir aber versprechen«, sagte der Chauffeur besorgt, »keine Dummheiten zu machen. Ich will keine Scherereien haben.«
Nein, sie machte keine Dummheiten. Auch nicht, als die beiden nach ungefähr zwei Kilometern anhielten, sich lachend zueinanderbeugten, sich bei den Händen nahmen und hinter hohen Fichten verschwanden – ein zärtliches, verliebtes Paar.
Gaby sprang aus dem Taxi, als es noch gar nicht richtig stand. Von Haß und Liebe zugleich gefoltert, rannte sie in den Waldweg hinein, wo Jürgen und das Mädchen verschwunden waren.
Sie hatten keine Ahnung, daß ihnen jemand folgte. Da standen sie, keine zehn Meter von Gaby entfernt, und küßten sich. Sie sah Jürgens Gesicht, seine dunklen Augen, und das zarte Profil des Mädchens. Und es schien ihr, als dauere der Kuß eine Ewigkeit. Gaby trat zur Seite, so daß die Zweige einer Fichte sie verdeckten.
Es ist alles ganz einfach, dachte sie. Ich kann hingehen, ihn eiskalt ansehen und sagen: »Laßt euch nicht stören, ich möchte nur meine Wagenschlüssel holen.«
Ein Triumph?
Nein. Nur das Eingeständnis ihrer Niederlage. Umsonst hätte sie sich ein Hochzeitskleid machen lassen, umsonst Papa vorgeschwindelt, daß sie ein Kind erwartete, diese kleine Blonde hätte sie besiegt.
Ihr Haß begann sich gegen das Mädchen zu richten. Gegen diese verdammte kleine Blonde, die das Glück hatte, so auszusehen wie seine verstorbene Frau. Das Glück, haargenau sein Typ zu sein …
Aber du bekommst ihn nicht, schwor sich Gaby erbittert. Du kannst ihn küssen, du kannst dich an ihn schmiegen, wie du willst, du kannst mit ihm durch den ganzen Wald laufen, aber du bekommst ihn nicht. Es wird alles nur ein Traum sein, kleines Fräulein.
Ich folge euch, Schritt für Schritt …
Hier in den Wäldern lag noch der Schnee. Er knirschte unter Jürgens Schritten. Die Sonnenstrahlen drangen nur spärlich durch die hohen Fichten. Es war eigentlich zu kühl für solche Spaziergänge.
Aber Janine fror nicht. Sie fand alles schön, den Tag, die Luft, die Stille, die sie umgab. Manchmal blieben sie stehen, um sich zu küssen. Und dann schloß sie die Augen und dachte: ich bin glücklich.
Der Weg vor ihnen wurde schmaler; wie eine Schlucht bohrte er sich durch den Forst. Spuren im Schnee zeigten Wildwechsel an.
»Wir werden uns noch verirren«, sagte sie.
»Hast du Angst?« fragte Jürgen.
Janine mußte lächeln bei dem Gedanken. »Sehe ich so aus?«
»Süß siehst du aus«, antwortete er. Und dabei legte er zärtlich seinen Arm um sie. Ihre Schritte paßten sich einander an …
Ich muß
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