Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Immer wenn er mich berührte

Immer wenn er mich berührte

Titel: Immer wenn er mich berührte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
diesem Lachen wollte er sich Mut machen. Aber Janine umklammerte seine Hand. »Es ist so unheimlich hier, findest du nicht?«
    »Aber Liebling, was ist denn plötzlich in dich gefahren?«
    »Ich weiß es auch nicht.« Er spürte, wie sie unter ihrem Mantel zitterte.
    »Komm, halt mich fest«, sagte sie.
    Mit einem scheppernden Ruck richtete sich das Signal auf. Er hielt Janine fest, streichelte ihr über die Haare. Er fand noch immer zärtliche Worte, aber sein Hemd war naßgeschwitzt, und im Gesicht sah er sicher grün aus.
    Die Gegend war einsam. Es gab bestimmt keine Zeugen. Die Bahngleise lagen einen guten Meter unter ihnen. Günstig, nicht wahr? Wenn der Güterzug kam, brauchte er sie nur hinunterzustoßen. Die Räder würden sie zermalmen, der fahrende Zug ihren Schrei ersticken.
    Der Plan war gut. Niemand würde dahinter Mord vermuten. Ein unglückliches Mädchen hatte Selbstmord begangen. Wenn jemand sein Gedächtnis verliert, kann er auch seinen Verstand verlieren. Irgendwo würde man sie begraben, ein Mädchen namens Janine-Marie Laurent …
    Die Gleise gaben plötzlich einen singenden hohen Ton von sich. Es war die unfehlbare Ankündigung des nahenden Zuges. Der Ton war in Wirklichkeit kaum vernehmbar, aber in seinen Ohren schwoll er zu einem Getöse des Schreckens an.
    »Wie lieb hast du mich?« wollte Janine wissen.
    »Sehr lieb.« Es war ein Wunder, daß ihm die Worte nicht im Halse stecken blieben. Denn in dieser Sekunde donnerte der Zug heran, so pünktlich, wie er nur überhaupt sein konnte.
    Sei kein Feigling, hämmerte es in ihm. Dein künftiges Glück hängt davon ab. Es ist doch nur ein Augenblick … und dann bist du frei … wozu bist du diesen Weg gegangen, wenn du jetzt zurückschreckst. Morgen ist Freitag, bis morgen wolltest du es getan haben.
    Janine stand neben ihm. Sie tat das, was kleine Kinder tun, wenn sie einen Güterzug sehen: sie zählte die Wagen.
    »… zwölf, dreizehn, vierzehn … einundzwanzig, zweiundzwanzig …«
    Jeder Wagen bedeutete eine Chance. Aber Jürgen verpaßte auch die letzte Chance. Die Schlußlichter des letzten Waggons schmolzen zu kleinen Punkten zusammen.
    »Komm«, sagte er müde, »gehen wir jetzt zum Auto zurück, es sieht nach Regen aus.«
    Zum Mörder muß man geboren sein, dachte er. Ich bin es nicht. Auf diese Weise werde ich sie nicht los. Ich könnte ihr nicht mal Gift in das Glas schütten, in letzter Sekunde würde ich ihr das Glas aus der Hand reißen.
    Als die ersten Tropfen fielen, erreichten sie den Wagen. Janine stieg zuerst ein. Er stand noch draußen, wollte gerade seinen Mantel ausziehen, um ihn auf den Rücksitz zu legen, als die Dreiklanghupe eines Mercedes ertönte.
    Jürgen sah, daß es ein Taxi war. Ein Taxi mitten im Wald … er trat ein wenig zur Seite und ließ den Wagen vorbei.
    Als er das Mädchen im Leopardenmantel im Fond sitzen sah, zweifelte er zunächst an seinem Verstand. Aber nicht lange.
    Gaby hatte sich so gesetzt, daß er sie erkennen mußte. Und so, wie sie ihn ansah, gab es keinen Zweifel, daß sie ihm nachgegangen war, daß sie ihn mit Janine gesehen hatte –
    Ihr Blick durch die Scheibe – der war schlimmer als alles, was an diesem verdammten Mittag hätte passieren können. Schlimmer als Mord.
    Es war einfach, Janine loszuwerden. Jürgen hielt vor einer Telefonzelle an, täuschte einen Anruf vor, kam mit bestürztem Gesicht zurück.
    »Liebling, ich muß leider sofort zur Bavaria 'raus, wir drehen dort einen Werbefilm. Es soll heute noch das Drehbuch geändert werden.«
    Sie sah es ein, ließ sich in der Innenstadt absetzen, winkte vom Straßenrand aus noch einmal zurück.
    Jürgen gab Gas, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Er fuhr viel zu schnell, überholte waghalsig, benahm sich wie ein Irrsinniger. Alles war ihm egal. Seine Nerven brauchten das Kreischen der Bremsen, das Aufheulen des Motors, den Rausch der Geschwindigkeit.
    Ein Unfall hätte ihm gar nichts ausgemacht. Er forderte ihn geradezu heraus, im Unterbewußtsein wünschte er sich die Katastrophe, den gewaltsamen Ausweg aus seinem Dilemma.
    Aber das Schicksal tat ihm den Gefallen nicht. Mühelos erreichte er sein Ziel, die weiße Mauer, die alten Bäume, den in Stein gehauenen Namen: Martin Westphal.
    Wie ein Betrunkener stieg er aus, rannte den Kiesweg hinauf, läutete.
    »Das gnädige Fräulein ist nicht da«, sagte der Butler.
    Jürgen sah es ihm an, daß er log. Wortlos schob er ihn zur Seite, stieg die Treppen hoch und riß die Türe zu ihrem

Weitere Kostenlose Bücher