Immer wenn er mich berührte
Zimmer auf.
Natürlich war sie da. Mit einem Whiskyglas in der Hand stand sie am Fenster. Sie mußte eben aus der Badewanne gestiegen sein, denn sie trug nur einen Bademantel, war barfuß und hatte sich die Haare hochgesteckt.
Nie wurde es ihm so klar wie in dieser Sekunde: ich kann ohne sie nicht mehr leben. Ich bin verloren, wenn sie mich verläßt. Ich würde krank werden, sterben …
»Gib dir keine Mühe, Jürgen«, sagte Gaby kalt. »Ich betrachte das, was zwischen uns war, als einen Irrtum. Ich habe schon einen Freund angerufen und mich mit ihm verabredet, damit ich den Irrtum schneller vergessen kann, weißt du.«
»Gaby« – mit fiebrigen Augen trat er auf sie zu – »du wirst mich zuerst anhören …«
»Ich weiß schon alles«, antwortete sie.
»Du weißt nichts.«
Sie lachte böse. »Wie ist sie denn, deine kleine Blonde? Ganz dein Typ, nicht wahr?«
Jürgen verlor die Fassung. Er packte sie bei den Armen und schrie ihr die Wahrheit ins Gesicht: »Nein, mein Typ ist sie nicht, aber meine Frau, begreifst du das, Liebling, ich bin mit meiner toten Frau spazierengegangen …«
»Ich bin zum Scherzen nicht aufgelegt, Jürgen.«
Er ließ sie los, drehte sich um und goß sich einen Whisky ein. »Leider ist das kein Witz. Das Mädchen, das du gesehen hast, ist meine Frau. Ich habe sie für tot gehalten, aber sie war nie tot. Ihr Name ist falsch … aber sonst ist sie echt.«
Gaby starrte ihn verständnislos an.
»Bist du betrunken?« fragte sie.
»Nein. Ich bin schrecklich nüchtern.«
»Willst du damit sagen, daß du einen leeren Sarg beerdigt hast?«
Jürgen faßte sich an den Kopf. »Natürlich nicht. Es lag eine Leiche im Sarg, aber es war offenbar eine Verwechslung. Auf dem Grabstein steht Janine Siebert … und darunter liegt irgend jemand anders.«
Gaby nahm einen Schluck aus ihrem Glas. »Das klingt ziemlich unwahrscheinlich, findest du nicht?«
»Nein«, sagte er gequält, »bis jetzt ist es ganz wahrscheinlich. Die Geschichte geht nämlich noch weiter. Der unwahrscheinliche Teil kommt jetzt erst …«
»Ich werde mich dazu setzen müssen«, unterbrach sie ihn.
»Ja, tu das.«
Er lief im Zimmer auf und ab. Er erzählte von Anfang an. Wie er Janine zufällig in München wiedergesehen, wie er einen Detektiv beauftragt hatte, wie er in das Hotel Sanssouci gezogen war, wie er dahinterkam, daß sie ihr Gedächtnis verloren hatte …
»Das gibt es nicht«, sagte Gaby.
Jürgen kniete vor ihr nieder. Er empfand es nicht als Erniedrigung. Es war die Verzweiflung, die ihn dazu trieb. »Gaby«, flehte er, »du mußt mir glauben. Ich hasse Janine, weil ich dich liebe. Mehr als mein Leben liebe ich dich. Ich habe dich nicht betrogen, Liebling, nicht mit meiner eigenen Frau.«
Still war es im Zimmer. Und zum Ersticken heiß. Jürgen sprang hoch, riß sich die Krawatte herunter, setzte seine rastlose Wanderung fort.
Gaby blieb stumm.
»Begreifst du nicht, warum ich mich an sie herangemacht habe?«
»Erkläre es mir«, forderte sie ihn auf, und ein merkwürdiger Blick traf ihn dabei.
»Heiraten – solange meine Frau in München spazierengeht, das können wir doch nicht, das wäre Wahnsinn. Sie ist in ärztlicher Behandlung, früher oder später wird sie ihr Gedächtnis zurückbekommen. Unsere Ehe wäre ungültig … der Skandal …«
Draußen begann es schon zu dämmern. Er stand am Fenster und starrte hinaus.
»Ich hätte ihr natürlich zu ihrer Vergangenheit verhelfen können und gleichzeitig die Scheidung verlangen, aber ich kenne sie doch. Sie ist keine Frau, die sich so ohne weiteres scheiden läßt, nicht sie …«
Er sprach weiter, ohne sich zu ihr umzuwenden. »Ich will dich heiraten, Gaby, so schnell wie möglich. Ich will, daß wir zusammengehören, daß nichts uns mehr trennt. Ich habe überlegt und überlegt, und ich habe nur eine Chance gesehen …«
»Nämlich?«
Jürgen antwortete nicht.
Gaby hatte längst begriffen, sie hatte ihm längst die Küsse verziehen. Ein Gefühl des Triumphes ließ sie aufstehen. Leise trat sie hinter ihn, von einer geradezu grausamen Erregung befallen.
»Der Güterzug sollte sie überfahren, nicht wahr?« flüsterte sie.
»Ja«, gestand er erschöpft ein.
Diesem Geständnis konnte sie glauben. Denn sie war Zeugin gewesen, daß er Janine zum Bahndamm geführt hatte. Das, was sie für Liebe gehalten hatte, war in Wirklichkeit der Plan eines Verbrechens gewesen … und dagegen hatte sie nichts.
Ihre Lippen suchten seinen Mund. Es störte
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