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Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Titel: Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schädlich
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phantastisch.«
    Der eine: »Das hier ist eine sehr ruhige Gegend.«
    Ich: »Das ist sehr schön.«
    Der andere: »Wollen Sie beide hier einziehen?«
    Die Freundin: »Ja.«
    Der eine: »Sie sind aus Deutschland, stimmt’s?«
    Ich: »Ja.«
    Der andere: »Und woher?«
    Die Freundin: »Aus Nürnberg.«
    Ich: »Aus Berlin.«
    Die beiden Männer sagten nichts. Die Wohnung haben sie uns trotzdem vermietet.
    Es waren solche Momente, die mir in die Glieder fuhren. Mit Deutschland wollte ich in Amerika nichts zu tun haben. Und ich machte eine erstaunliche Beobachtung: Die jungen Deutschen, die ich in Amerika kennenlernte, integrierten sich emsiger in die amerikanische Gesellschaft als die anderen aus anderen Ländern. Die waren stolz auf ihre Nationalität, legten Wert darauf, Traditionen beizubehalten, nicht so die jungen Deutschen.
    Dass Freunde und Bekannte in Deutschland, denen ich Briefe schickte, immer seltener zurückschrieben, half bei der Orientierung auf das Neue um mich herum. Hinzu kam, dass das Leben mich in Anspruch nahm. In einem Brief vom Mai 1988 lese ich: »So taumelt man hier von einer Hoffnung in die nächste, unendlich viele waren schon und zerplatzten genauso schnell, wie sie entstehen. Aber ich kann ohne Zögern behaupten, daß es gerade das ist, was einem hier das Durchhaltevermögen erhält. Es ist doch ein recht zwiespältiges Dasein, das hier jeder führt. Einerseits entsteht der Ehrgeiz, etwas zu erreichen, sich zu legalisieren und wenigstens für ein paar Dollar zu arbeiten, andererseits fragt man sich oft, warum und wofür, wenn man es ›Zuhause‹ doch viel leichter hätte.«
    Ich sah mich in meinem Bekanntenkreis um und entdeckte, trotz aller Umtriebigkeit, Verlorenheit. Ich fragte mich, ob wir in der Fremde waren, damit wir dieses Gefühl der Verlorenheit leichter rechtfertigen konnten. Vor uns selber und den anderen. Es war eine Flucht, jeder hatte ein anderes Motiv. Ich schrieb: »Diejenigen, die sich darüber nicht im klaren sind, sind allerdings wirklich verloren und treten nach einigen Rückschlägen den Rückzug an, um frustriert den Kompromiss der falschen Geborgenheit in der bekannten Gesellschaft einzugehen.« Ich war also schon einen Schritt weiter. Dennoch, das Wort Zuhause hatte ich in Gänsefüßchen gesetzt. Mein Vorsatz war, diese Gänsefüßchen eines Tages weglassen zu können. Deshalb, hielt ich durch. Die Illegalität. Keine Reisen nach Deutschland, solange ich keine Greencard hatte. Keine Krankenversicherung. Das Stolpern von einem Arbeitsverhältnis ins nächste, immer abhängig vom Wohlwollen des Arbeitgebers und der Bereitschaft, eine Illegale zu beschäftigen. Immer war das Geld knapp.
    Was uns nicht umbringt, macht uns stark, heißt es. Das war Amerika für mich. Schritt für Schritt wurde ich stärker, sicherer, selbstbewusster. Sogar der Onkel hatte mir geschrieben, »if you can make it there, you make it anywhere«.
    Die Freundin hatte es schon fast geschafft. Wir brauchten nur noch nach Las Vegas zu fahren. Zusammen mit einem Freund, der gesagt hatte, it’s alright. Er würde sie heiraten, auf dem Papier.
    Wir kamen an, da war der Himmel schon dunkel. Die Stadt funkelte wie unsere Augen. Suche nach einem Hotel. Jedes größer und glitzernder als das vorherige. Vor Säulen und Wasserfontänen hielten wir an. Das sollte es sein: Caesars Palace. Für unser Geld bekamen wir ein bescheidenes Zimmer und dann Angst vor der eigenen Courage.
    Ich sagte: »Was soll’s, das macht man nur einmal. Wir bestellen jetzt Champagner und mieten eine Limousine.«
    Es war ein pinkfarbenes Auto und daneben: The King! Ja, genau, schwarze Tolle, weißer Paillettenanzug, ganz so, wie im echten Leben.
    »Zu Ihren Diensten, bitte, nehmen Sie Platz.«
    Champagner während der Fahrt. Wir toasteten uns zu und hielten vor einem Häuschen. Das Seitenfenster senkte sich wie von Geisterhand, ein Fenster am Häuschen öffnete sich durch Frauenhand.
    »Sie wünschen?«
    Nicht Cheeseburger, Pommes und Coke.
    Sondern: »Wir wollen heiraten.«
    »Sie sind also hergekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss den Bund der Ehe zu schließen?«, fragte die Frau im amerikanischsten Amerikanisch.
    Die Freundin: »Was hat sie gesagt?«
    »Ja«, sagte der Freund so laut, dass es überzeugend klang, und trat der Freundin sanft gegen das Schienbein.
    Die Frau blickte die Freundin an.
    Die Freundin: »Ich verstehe sie nicht.«
    »Ob du es dir gut überlegt hast«, übersetzte der

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