Immer wieder du: Roman (German Edition)
Telefonhörer.
»Blinker.«
Das ist eine Mädchenillustrierte.
»Nehmt den Aufzug in den zweiten Stock, dann rechts durch die Doppeltür. Viel Glück!«
»Danke«, bringen sie gequält hervor und verziehen sich lustlos.
»Ich hasse Models«, bemerkt Nicola, als sie fort sind.
»Nur weil sie jünger sind als du und besser aussehen«, stichelt Mel.
»Nein, weil sie so viel Persönlichkeit wie ein Spültuch haben.«
»Nicht alle«, werfe ich ein.
»Der einzige Grund, warum ich gern Model wäre, sind die Fotografen«, stellt Nicola fest.
Durch unsere Türen treten viele Fotografen, und bei den meisten bekommt Nicola weiche Knie. Meine Kolleginnen haben beide keinen Freund, aber wenn sie sich verabreden, dann für gewöhnlich mit wohlhabenden, gutgekleideten Männern (Mel) oder attraktiven, zerzausten Jungs (Nicola). Mein Richard gehört in keine dieser Kategorien. Mit achtundzwanzig ist er zwei Jahre älter als ich und eigenartigerweise weder Mann noch Junge. Vermutlich würde ich ihn als Mann bezeichnen, wenn man mich fragen würde, aber …
Du warst achtundzwanzig, als ich dich kennengelernt habe.
Ich kann nicht glauben, dass ich nie darüber nachgedacht habe. Ben kam mir irgendwie älter vor. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht lag es an mir. Ich war jünger. Damals hielt ich mich für unglaublich reif. Aus heutiger Sicht weiß ich, wie sehr ich mich geirrt habe.
Aber geliebt habe ich ihn. Ich liebe ihn bis heute.
Das ist das Unheimliche an einseitigen Beziehungen – man kann keinen Schlussstrich darunter ziehen. Die Liebe lebt weiter und gärt unter der Oberfläche.
Wie du heute wohl aussiehst? Du dürftest achtunddreißig sein. Ist das alt? Ich weiß es nicht.
»Woran denkst du?«, unterbricht Mel meine Gedanken.
»An nichts«, beeile ich mich zu sagen.
»Du hast gerade ganz geheimnisvoll ausgesehen.«
Lächelnd ziehe ich eine Augenbraue hoch und versuche, die Unergründliche zu spielen.
»Erzähl«, drängt sie.
»Ich habe überlegt«, fange ich an, und sie ist ganz Ohr, »ob ich mich heute für Tomaten mit Basilikum oder Möhren mit Koriander entscheide.«
Mels erwartungsvoller Ausdruck schlägt in Empörung um.
»Tomate mit Basilikum«, mischt Nicola sich ein. »Obwohl es gestern Lauch und Kartoffeln gab.«
»Ist nicht wahr!«, sage ich. »Ich fass es nicht, dass ich einen Tag mit Lauch und Kartoffeln verpasst habe!«
Wir drei haben uns praktisch den ganzen Sommer über nur von Suppen ernährt. Gleich um die Ecke hat vor ein paar Monaten eine ziemlich coole Suppenküche eröffnet, und die Gerichte dort sind so lecker, dass wir trotz der Hitze süchtig danach geworden sind. Der Sommer ist jetzt fast vorbei, daher hoffe ich, dass wir uns nicht an Suppen leid gegessen haben, denn ein warmes Mittagessen dürfte bei sinkenden Temperaturen ein wahrer Festschmaus sein.
»Geschickter Themenwechsel, Lily.« Mel wirft mir einen verschlagenen Blick zu, den ich mit Unschuldsmiene erwidere.
Normalerweise denke ich tagsüber nicht an Ben. Im Laufe der Jahre habe ich ziemlich gut gelernt, mich selbst zu beherrschen, und versuche meistens, überhaupt nicht an ihn zu denken. Manchmal frage ich mich, ob ich etwas hätte anders machen sollen. Mich schaudert noch immer, wenn ich mich daran erinnere, wie ich mich ihm am letzten Abend förmlich an den Hals geworfen habe. Als ob er je mit mir geschlafen hätte! Beim Gedanken daran überläuft es mich heiß und kalt.
»Im Ernst, woran denkst du wirklich?« Wieder Mel.
»Mir ist kalt«, sage ich. »Ich hoffe, ich brüte nichts aus.«
»Sommergrippe«, stellt Nicola fest. »Tun dir die Knochen weh?«
»Nein.«
»Hitzewellen?«
»Eigentlich nicht«, gebe ich zu.
»Kopfschmerzen?«
»Ja. Wahrscheinlich habe ich nur einen Kater.«
»Iss noch ein Tim Tam«, bietet Nicola mir an.
»Danke.«
Ich kann es Mel nicht verdenken, dass mein Gesichtsausdruck sie fasziniert. Tratsch spielt in unserem Leben eine große Rolle. Kein Wunder, denn wir sitzen hier ohne Chef, so dass uns den ganzen Tag lang niemand unter Aufsicht hat, nicht eine Sekunde. Um genau zu sein, ist Nicola vermutlich unsere Führungskraft. Sie ist die Älteste. Aber das ist beinahe lachhaft. Sie ist die größte Klatschtante von allen.
Ich muss mich für nichts schämen, sage ich mir. Ich weiß, dass du mich auch geliebt hast. Und jetzt muss ich aufhören, an dich zu denken.
»Pläne fürs Wochenende?«, fragt Nicola gegen Feierabend.
»Meine Freundin kommt aus Brisbane rüber«, sagt
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