Immer wieder du: Roman (German Edition)
gehst du mir langsam auf den Geist«, sage ich finster.
»Entschuldigung.« Er greift über den Tisch, um erneut meine Hand zu drücken. »Lass uns später darüber reden.«
»Das habe ich von Anfang an gesagt«, murmele ich.
»Tja, du setzt eben immer deinen Willen durch«, erwidert er und lässt meine Hand los.
Ich lege meine Gabel etwas zu geräuschvoll auf den Teller und drehe mich zu den beiden um, die neben mir sitzen, Lucys Stiefbrüder Nick und Tom. Ich weiß nicht, ob sie den Streit zwischen Richard und mir mitbekommen haben, aber sie machen gute Miene zum bösen Spiel und lassen sich nichts anmerken.
Kapitel 14
Nathan und Lucy haben an einem Donnerstag geheiratet, daher muss ich am nächsten Tag wie gewohnt zur Arbeit. Vom Circular Quay ist es nur ein kurzer Fußweg zu Tetlans Büros. Der Standort ist toll. Er macht den Arbeitsplatz besonders attraktiv. Außerdem ist der Job nicht mal schwer. Aber ich glaube, genau das ist der Punkt. Er ist keine Herausforderung. Klar ist es toll, an diesem von einem Innenarchitekten entworfenen, überdimensionierten, glänzenden Empfangstisch zu sitzen, in einer mit Hightech ausgestatteten Lobby von doppelter Raumhöhe, aber die aufregendste Tätigkeit hier ist, Pässe für neue Angestellte zu laminieren. Entweder das, oder ich bestelle Sandwiches und bereite die Konferenzräume für Besprechungen der Geschäftsleitung vor. Nicht unbedingt etwas, wofür man ein Diplom braucht.
Sicher, ich habe auch kein Diplom. Ich habe nicht mal studiert. Meine Noten waren nicht gut genug für die Uni. Es gab eine Zeit, da spornte Ben mich an, mehr zu tun und wirklich etwas aus mir zu machen, doch dann ging er fort. Nicht, dass ich ihm die Schuld dafür gebe. Ich bin nicht verbittert. Zumindest nicht darüber.
Nicola bombardiert mich mit Fragen, noch ehe ich mich an den Empfangstresen gesetzt habe.
»Wie war die Hochzeit? Wie hat die Braut ausgesehen? Hast du Fotos gemacht?«
Nicola liebt Hochzeiten. Ich habe einmal gelästert, sie sei wie Muriel aus Muriels Hochzeit , aber das fand sie gar nicht lustig.
»Es war super, Lucy trug ein tolles langes schlichtes Kleid, und nein, ich habe keine Fotos gemacht.«
»Scheiße!«, sagt Nicola erzürnt. »Wieso nicht?«
»Was soll das heißen, wieso nicht ?«
»Hast du denn keine Digitalkamera?«
»Nein.«
Sie macht ein langes Gesicht. »Wirklich nicht? Heute hat doch jeder eine Digitalkamera.«
»Ich nicht«, erkläre ich mit Nachdruck.
»Jetzt sag nicht, du benutzt noch Filme.«
»Ich verwende gar nichts.«
»Du hast gar keine Kamera?«
»Ich habe eine Kamera in meinem Handy. Das reicht mir.«
»Und warum hast du damit keine Fotos gemacht?«, ruft sie.
»Ich war zu sehr damit beschäftigt, mich zu amüsieren«, gebe ich scherzhaft zurück.
Sie schnaubt verächtlich und dreht mir den Rücken zu, während ich meinen Computer einschalte. Dann knallt Mel ihre Handtasche auf den Hocker neben mir, ich schaue auf und erblicke meine zweite Kollegin.
»Guten Morgen«, zwitschert sie strahlend. »Wie war die Hochzeit?«
»Sie hat nicht einmal Fotos gemacht«, ruft Nicola von hinten.
»Echt nicht?«, fragt Mel, leicht überrascht. »Hatten die einen Profifotografen?«
»Der Freund eines Freundes hat das übernommen«, erkläre ich. »Alle Fotos werden nächste Woche auf die Webseite gestellt, und jeder kann sie sich ansehen.«
»Wieso sagst du das nicht gleich?« Nicola strahlt.
Mel sieht mich vielsagend an und formt mit den Lippen lautlos das Wort »Muriel«. Dann klatscht sie in die Hände. »Wer möchte Tee?«
»Ja, ich«, sagen Nicola und ich im Chor.
Ich habe ein schlechtes Gewissen. Mel macht immer Tee, sobald sie kommt, für gewöhnlich fünf oder zehn Minuten nach mir. Ich bin inzwischen faul geworden und warte auf sie, statt selbst in die Küche zu gehen.
»Ich hab Tim Tams dabei«, verkündet Nicola und zieht eine Packung aus ihrer Tasche.
»Oh, das wäre doch nicht nötig gewesen«, sage ich, als sie mir die Kekse reicht. »Ich muss eigentlich Diät machen.«
»Das hast du doch nicht nötig«, sagt sie beleidigt, als ich die Packung zurückschiebe. »Hier, nimm doch einen«, drängt sie und hält sie mir wieder hin. Ich gebe nach.
Machen das zukünftige Bräute nicht so? Eine Diät anfangen? Ich öffne den Mund, weil ich das spontane Bedürfnis verspüre, Nicola zu erzählen, dass ich verlobt bin, aber ich mache ihn dann wieder zu. Vielleicht später.
Richard und ich haben beim Empfang kaum noch miteinander
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