Immer wieder Lust auf dich
über ihren Vater reden. Er ging an ihr vorbei und in eins der wenigen Zimmer, die er nicht kannte. Mandy folgte ihm und warf einen Blick in das Bad. “Du findest hier alles, was du brauchst. Wir sehen uns dann morgen früh.” Sie drehte sich um und ging leise hinaus.
Erst jetzt fiel Rafe ein, dass seine Tasche immer noch draußen im Gebüsch versteckt lag. Er sah sich um. An der einen Wand stand ein riesiges Bett. Die andere wurde von einem Bücherregal ausgefüllt, in dem Romane und Sachbücher standen. Er lächelte, als ihm einfiel, dass Dan früher schon eine Leseratte gewesen war.
Er musste an Mandys Worte denken. Dan konnte nicht tot sein. Rafe konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sich Dan kopflos in eine lebensbedrohliche Lage stürzen würde. Andererseits wusste Rafe nur zu gut, dass man sich nicht immer vor allem schützen konnte.
Wo war er? Wenn Dan noch am Leben war, warum war er nicht zurückgekommen?
Rafe ging zu der schmalen Wand neben dem Badezimmer, an der Fotos hingen. Die meisten waren auf der Ranch aufgenommen worden.
Rafe war überrascht, als er feststellte, dass er selbst auf vielen Bildern zu sehen war. Er hatte ganz vergessen, dass er so dünn gewesen war.
Gerade wollte er sich wieder abwenden, da bemerkte er ein paar Fotos, die auf der Party aufgenommen worden waren, die die Crenshaws Dan und ihm zu Ehren veranstaltet hatten. Ihr Schulabschluss war gefeiert worden. Es war der letzte Abend, den Rafe auf der Ranch verbracht hatte.
Auf einem der Fotos war Mandy abgebildet. Sie trug ein pastellfarbenes Baumwollkleid mit einem weiten Glockenrock und sehr kurzen Ärmeln. Er erinnerte sich noch ganz genau daran, wie sie an jenem Abend ausgesehen hatte. Ihre Augen hatten gestrahlt, und ihr Lächeln war einfach hinreißend gewesen. Er berührte ihr Foto und zog mit dem Finger die Linien ihrer Lippen und die Rundung ihrer Schultern nach.
Wenn er die Augen schloss, konnte er sich wieder an jenen Kuss erinnern und daran, wie er sie in den Armen gehalten hatte. Er spürte auch wieder jenes Verlangen von damals. Wie sehr hatte er sich in jener Nacht gewünscht, mit ihr zu schlafen.
Als er die Augen wieder öffnete, fiel sein Blick auf ein Foto von Dan, das auch an jenem Tag aufgenommen worden war. Dan sah in seinem Anzug ernst und feierlich aus, bis auf den verschmitzten Blick, der so typisch für ihn war. Und dann gab es auch noch ein Foto von Rafe im Anzug, dem ersten und einzigen in seinem Leben. Rafe betrachtete den Jungen, der er einmal gewesen war. Auch er sah sehr feierlich aus, aber sein Blick hatte nichts Belustigtes. Er schien vielmehr entschlossen zu sein, etwas aus seinem Leben zu machen.
Das war ihm auch gelungen.
Rafe ging ins Bad und zog sich aus. Unter dem heißen Duschwasser entspannte er sich etwas. Er war inzwischen so müde, dass er kaum noch die Augen offen halten konnte. Morgen früh würde er sich etwas von Dans Sachen ausleihen und sich dann seine Tasche von draußen holen. Denn alles, was er sich jetzt noch wünschte, war, in den seligen Schlummer des Vergessens zu fallen.
Nachdem sie Rafe sein Zimmer gezeigt hatte, legte sich Mandy wieder in ihr Bett. Ranger war ihr gefolgt und rollte sich jetzt mit einem Seufzer neben ihrem Bett auf dem Boden zusammen.
Dass Rafe McClain so unerwartet wieder in ihr Leben getreten war, hatte ihr einen Schreck versetzt, auf den sie gut und gerne hätte verzichten können. Andererseits musste sie zugeben, dass Rafe wohl am ehesten in der Lage sein würde, Dans Verschwinden aufzuklären. Eigentlich sollte sie erleichtert sein, dass er zurückgekommen war. Außerdem bestätigte ihr die Tatsache, dass Dan seinen Freund um Hilfe gebeten hatte, dass irgendetwas in Dans Leben in Unordnung geraten war.
Sie dachte an das Wiedersehen mit Rafe. Obgleich sie ihn zwölf Jahre nicht gesehen hatte, schlug ihr Herz bei seinem Anblick immer noch genauso wild wie früher.
Niemals würde sie den Tag vergessen, an dem er zum ersten Mal auf die Ranch gekommen war. Er war damals vierzehn gewesen, genauso alt wie Dan. Und sie war elf gewesen.
Seine Jeans hatten genauso abgetragen ausgesehen wie die, die er heute anhatte. Und sein Haar war auch genauso lang und zerzaust gewesen. Äußerlich hat er sich also gar nicht so sehr verändert, dachte sie ein bisschen belustigt.
Allerdings war er damals wesentlich dünner gewesen. Und er hatte blaue Flecken im Gesicht gehabt, über die er kein Wort verloren hatte. In Gedanken machte sie eine Zeitreise
Weitere Kostenlose Bücher