Immer wieder Samstag Reloaded
Unterlippe herumzukauen und fixierte den Boden. Mist!
»Antworte!« Seinen Zeigefinger ersetzte er durch seine Hand, die nun mein Kinn umfasste, es mit einem Ruck nach oben zwang, sodass ich ihn anschauen musste.
Seine Präsenz, seine Kraft und innere Stärke schüchterte mich ein. Nichts war mehr von dem alten Tristan in ihm. Nichts Weiches, Einladendes. Stattdessen fand ich nur Ablehnung und Härte.
»Ich musste ...«, schluchzte ich auf und kniff die Lider zusammen, als er mir für einen kurzen Moment seinen Handballen auf meine Kehle presste und mir somit die Luft abschnürte. Bevor ich in Panik ausbrechen konnte, hatte er schon wieder von mir abgelassen und distanzierte sich etwas. Nach wie vor sprach er sehr leise, fast schon verführerisch, doch seine Worte hätten nicht vernichtender ausfallen können.
»Die Tour der Unschuld vom Lande zieht nicht mehr, kapiert? Überlege dir verdammt gut, was du tust oder sagst, ansonsten könnte es sein, dass ich nicht mehr so nett bin wie jetzt ...« Wenn er das ›nett‹ nannte, dann wollte ich nicht erfahren, wie er drauf war, wenn er wütend wurde. Nur befürchtete ich, dass ich mit dem eiskalten Tristan viel mehr zu tun haben würde als mit dem vermeintlich ›netten‹.
»Komm!«, befahl er und zog mich, ohne auf mich zu achten, die Stufen nach oben, bis wir durch einen Gang kamen, der mit flauschigen Teppichen bedeckt war, wo wir rechts abbogen, eine Wendeltreppe erklommen und letztendlich vor einer weißen Tür stoppten. Auf dem Lack war in goldenen, verschnörkelten Buchstaben
angebracht.
Tristan tippte in ein Zahlenfeld irgendeinen Code ein, worauf ein grüner Knopf aufleuchtete und wir passieren konnten. Wieder durchquerten wir einen Flur – mit diesmal schwarzen Teppichen. Er gab mir auch hier keine Gelegenheit, mich umzusehen, denn er zerrte mich am Handgelenk unbarmherzig weiter. An der letzten Tür kam er zum Stehen, worauf
zu lesen war.
War das tatsächlich sein Ernst? Ich wollte die Augen verdrehen und einen schnaubenden Ton von mir geben, aber ich ließ es bleiben. Ich konnte den neuen Tristan einfach nicht einschätzen. Doch dieser übermäßige Größenwahnsinn, den er offenbar neuerdings an den Tag legte, toppte alles je da gewesene. Früher hatte er ja schon einen Hang dazu, aber jetzt nahm es ungeahnte Ausmaße an, vor allem weil er es nicht mehr versteckte. Dekadent war das Erste, was mir einfiel, als ich in den Raum trat. Ein weicher goldener Bodenbelag und viele künstlerische Elemente dominierten die weitläufige Fläche.
Tristan steuerte direkt die Minibar an, die nicht offen einsehbar war. Fragend musterte er mich. Als ich den Kopf schüttelte, imitierte er meine Geste – nur flüchtiger – und köpfte in aller Seelenruhe eine Flasche Eiswein.
Mhm ... Noch immer zeichnete er sich durch seinen eigenen typischen Geschmack aus. Während er Eis in ZWEI Gläser verteilte und die prickelnde Flüssigkeit einschenkte, setzte ich meine Inspizierung des seltsam anmutenden Büros fort. Ein riesiger und gleichzeitig perverser Couchtisch forderte meine Aufmerksamkeit. Mich glotzte sozusagen eine detailgetreue Vagina an, auf der die polierte Glasplatte befestigt war. Dahinter nahm ich eine dunkle Ledercouch und einen Chefsessel wahr. An den Wänden, die nicht von Schrankelementen verstellt wurden, hingen mehrere Rahmen. Viele Fotografien schmückten sie. Und ich hätte schwören können, dass mir diese Brust und die Hand unheimlich bekannt vorkamen. Vielleicht sollte ich mich bei Tristan erkundigen, wie viel von unseren gemeinsamen Aufnahmen noch in diesem eindrucksvollen Gebäude zu finden waren. Ich konnte aber auch auf Einzelstücken seine Brüder erkennen und seinen Vater mit einem gigantischen schwarzen Gorilla. Irritiert betrachtete ich das Tier.
So viele Eindrücke stürmten auf mich ein, aber ich sagte nichts. Dennoch wollte ich alles erfahren – die Neugierde brannte in mir. Aber es beruhigte mich ungemein, dass wenigstens seine Familie anscheinend noch Teil seines Lebens war. Vielleicht könnte ich versuchen, Vivis Nummer zu bekommen. Denn ich hatte seit dem verheerenden Tag vor acht Jahren nichts mehr von ihr gehört. Auch wenn es mich nicht wunderte. Mein Blick glitt weiter … Zu einem weiteren Bild …
Eines, worüber ich beinahe gelacht hätte, wenn mir meine Instinkte nicht signalisiert hätten, keinen Ton von mir zu geben. Gott persönlich thronte dort mit ausgestreckten Beinen auf einer Wolke und schaute teuflisch
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