Immer wieder Samstag Reloaded
völlig logisch klang. Schon früher konnte er die Menschen gut manipulieren, und ich ahnte, dass er inzwischen sogar noch viel besser darin geworden war ... Das machte mich gleichermaßen an, wie es mich verängstigte.
***
Ich war auf das Fahrrad und die U-Bahn angewiesen, weil ich nach wie vor kein Auto besaß, trotz eines gültigen Führerscheins. Und Francesco lieh mir grundsätzlich nicht seine Nobelkarosse, weil seinem tollen Ferrari ja etwas hätte zustoßen können. Also blieb mir nichts anderes übrig, als kräftig in die Pedale zu treten – bergauf, mein Ziel immer im Blick.
Je näher ich der pompösen Siedlung kam, desto nervöser wurde ich. Zwischenzeitlich war ich der Überzeugung, dass ich mich übergeben und in die Hose machen würde, sobald ich wieder vor ihm stand. Aber ich wollte mich um jeden Preis beherrschen, denn das Risiko, dass er sich andernfalls tierischst genervt von mir abwenden würde, war mir persönlich zu groß. Krank – ohne jede Frage, aber hatte ich je etwas anderes behauptet?
Heute trug ich keine exquisiten Klamotten, so wie bei unserem ersten Treffen. Ich hoffte und ahnte nämlich, dass er sie mir erneut vom Leib schneiden würde. Eine Hotpants war obligatorisch – diesmal in Weiß, genau wie der BH. Ganz im Zeichen der Unschuld. Ach, wem machte ich hier etwas vor? Als würde das einen Tristan Wrangler aufhalten!
Zusätzlich hatte ich eine knapp sitzende Röhrenjeans und einen hautengen schwarzen Rollkragenpullover ausgewählt. Da die Kleidung aus einem Secondhand-Laden stammte, würde es mir nicht schwerfallen, sie zu opfern. Mein Haar hatte ich der Einfachheit halber zu einem Pferdeschwanz gebunden. Genau genommen fehlte mir die Zeit, um es zu föhnen und anständig zu frisieren – möglicherweise waren auch die mangelnden Nerven verantwortlich, oder beides. Wer wusste das schon genau? So oder so war das die einzige Option nicht mit einem Vogelnest auf dem Kopf herumzulaufen. In meiner Handtasche – eine dunkle, praktische zum Umhängen – befand sich alles, was die Frau von heute so braucht: Handy, Geldbeutel, High Heels und ein Wechselslip ... Komplettiert wurde das ganze Outfit mit meinem hellen Mantel und Chucks. Wie das aussah? Selbstverständlich dämlich, aber mit den Heels wäre ich keinen Zentimeter auf dem Rad vorwärtsgekommen.
Irgendwann war es mir tatsächlich gelungen, mich diesen verdammten Hügel hinaufzuquälen, auch wenn ich ab der Hälfte absteigen und schieben musste. Es war die Hölle. Doch schließlich stand ich vor Tristans Galerie. Wieder wurde die Umgebung von brennenden Fackeln sanft erhellt, deren Licht sich in den superteuren Schlitten auf dem Parkplatz widerspiegelte. Verwundert bemerkte ich, dass ich in dem komplett verglasten Erdgeschoss niemanden ausmachen konnte, nur ein paar wundervoll ausgeleuchtete Kostbarkeiten. Wacklig wechselte ich meine Schuhe und schritt langsam auf die Vorderseite des Gebäudes zu, die von der Straße leicht zugänglich war.
Eine Klingel war von Weitem nicht zu erkennen und ich fragte mich, ob es überhaupt eine gab und wenn nicht, wie ich reinkommen sollte. Doch kaum kam ich an die schwere Tür, wurde der Summer betätigt. Eilig öffnete ich und wurde mit diversen Kameras im Eingangsbereich konfrontiert – war ja klar. Ganz der alte Kontrollfreak.
Musik empfing mich – laut und atemberaubend. Es war eines meiner Lieblingsstücke. Doch außer von der instrumentalen Untermalung wurde ich nicht begrüßt. Die Halle wirkte wie ausgestorben, bis auf die einzigartigen Fotos, die ich schon beim letzten Mal bewundert hatte. Das Bild von mir und Tristan von der Lichtung wurde zusätzlich mit zwei Scheinwerfern angestrahlt, um es besser in Szene zu setzen. Wie hypnotisiert ging ich darauf zu; am liebsten hätte ich den Rahmen abgenommen, um es irgendwo zu verstecken. Leider war das nicht möglich. Wo sollte ich so ein großes Ding auch unterbekommen?
Nichtsdestotrotz, es war wunderschön. So leidenschaftlich, ohne dabei anstößig zu wirken. Erotik auf diese Art darzustellen, ist tatsächlich eine Kunst. Eine, die er sehr gut beherrschte.
Wehmütig dachte ich an meine alte Figur zurück. Inzwischen wusste ich, dass ich niemals wirklich fett gewesen war, sondern mich nur so empfunden hatte.
Damals hatte ich Tristan nie geglaubt, auch wenn er es mir stets versucht hatte zu erklären. Schon merkwürdig, wie verzerrt die menschliche Eigenwahrnehmung doch ist. Unsichere Personen fühlen sich häufig als hässlich.
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