Immorality Engine
mechanischen
Mannes bekam sie immer eine Gänsehaut. Es hatte mit diesem leeren, glatten
Gesicht, dem rasselnden Atem und dem ewigen Schweigen zu tun. Und dann die
Augen, die sie unerbittlich beobachteten, auf sie hinabblickten und alles
aufnahmen. Sie konnte nicht anders, als sich hinter der Porzellanmaske ein
lüsternes Grinsen vorzustellen. Diesem Mann schrieb sie alle möglichen
armseligen Gedanken zu. Mörderische, geisteskranke und abartige Gedanken. Die
Wahrheit konnte sie natürlich nicht ergründen. Sie konnte nur Dr. Fabian
vertrauen und hoffen, dass er sich bemühte, ihr zu helfen.
Das bedeutete aber noch lange
nicht, dass sie auch dem mechanischen Handlanger trauen musste. In seiner
Gegenwart galt es, hellwach zu bleiben.
Amelia tat so, als hätte sie den Absatz zu Ende gelesen, hob den
Kopf und legte das geöffnete Buch mit dem Rücken nach oben auf den Kaffeetisch.
»Ist es schon so weit, Mister Calverton?«, sagte sie unbefangen und ohne das
geringste Beben in der Stimme, als wäre es keinesfalls eine erschreckende
Aussicht, von dem seltsamen Maschinenmann in die Tiefen des groÃen Hauses
geführt zu werden.
Mr. Calverton legte den Kopf auf die linke Seite und hielt den Blick
auf ihr Gesicht gerichtet. AuÃer dem pfeifenden Atem und dem zischenden Dampf,
der aus den Kolben in den Schenkeln entwich, gab er keinerlei Geräusch von
sich. Sie hatte jedoch gelernt, diese Kopfbewegung als Bejahung aufzufassen.
»Also gut, es ist Zeit für meine
Behandlung.« Sie verschränkte die Hände im Schoà und lehnte sich zurück. »Nun
kommen Sie schon, Mister Calverton. Wir wollen Dr. Fabian doch nicht warten
lassen.«
Der Mann blieb einen Moment mit
schief gelegtem Kopf völlig regungslos stehen. Dann veränderte er ebenso abrupt
wie energisch seine Körperhaltung, und der Kopf kippte in die richtige Stellung
zurück. Er kam ganz herein, wobei die Kolben in den Beinen zischten und
fauchten, ging um sie herum und packte mit behandschuhten Händen die Griffe des
Rollstuhls. Sanft bugsierte er Amelia herum und richtete sie auf die Tür aus.
So begann die schwerfällige Reise zum Behandlungszimmer.
Der Weg durch die Flure und Gänge des alten Hauses und hinunter in
die klammen, schwach beleuchteten Tunnel, die sich unendlich weit zu erstrecken
schienen, bis sie endlich das Behandlungszimmer erreichten, dauerte fünfzehn
Minuten. Der Raum selbst war ein öder, schrecklicher Ort. Dort stand die groÃe
Maschine, die sie irgendwie von ihren Anfällen heilte. Dort befand sich
natürlich auch Dr. Fabian und sah ihr mit erwartungsvollem Lächeln entgegen.
In den letzten Monaten hatten sie täglich diese Wanderung
unternommen. Amelia hätte den Weg auch mit verbundenen Augen gefunden, war aber
nicht stark genug, um ihn aus eigener Kraft zu bewältigen. Und selbst wenn, Dr.
Fabian hätte es ihr vermutlich nicht erlaubt, allein im Haus herumzulaufen. Er
versicherte ihr zwar, dass sie nur um ihrer Genesung willen in ihrem Zimmer
eingesperrt wurde â und wenn man den Erfolg sah, gab es keinen Grund, ihm
zu misstrauen â, doch sie fragte sich, ob Mr. Calverton nicht ebenso sehr
ein Wärter wie ein Diener war, der sie im Auge behalten und seinem Herrn
Bericht erstatten sollte. Vielleicht bildete sie es sich auch nur ein. Trotzdem
nagten die Zweifel an ihr. Sie fragte sich, was sie vorfinden würde, wenn sich
ihr jemals die Gelegenheit bot, einen der Seitengänge zu erkunden, die von dem
Haupttunnel abzweigten, durch den sie mit Mr. Calverton rollte. Sie war
neugierig, was sich dort in der Dunkelheit befand, und sie fragte sich auch,
wann Mr. Calvertons Zeit kommen und wie lange es noch dauern würde, bis ihre
Vision von ihm Wirklichkeit wurde.
Heute war sie jedoch dankbar, dass
die Reise zum Behandlungszimmer ereignislos verlief. Es war ein riesiger
unterirdischer Raum, eine aus dem Fels gehauene Höhle, in welcher der Leibarzt
der Queen alle möglichen seltsamen
Apparate aufgestellt hatte. Es roch
nach Ãl und RuÃ, und wie vermutet befand sich Dr. Fabian schon dort und
erwartete sie. Er blickte sogar demonstrativ auf seine Taschenuhr, um ihnen zu
zeigen, dass er über die Verspätung gar nicht erfreut war. Sie fragte sich, ob
Mr. Calverton dafür später eine Standpauke zu hören bekommen würde.
»Guten Morgen, Amelia. Wie geht es uns heute?« Der Arzt schob die
Drahtbrille mit
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