Immortal 3 - Schwarze Glut
aber Christine musste notgedrungen atmen. Es fühlte sich an, als würde ihr der Hals von innen verätzt.
Der Dämon verzog die entstellten Lippen zu einem abfälligen Grinsen. »Wer bist du? Du bist viel zu stark für eine gewöhnliche Hexe.« Seine roten Augen leuchteten auf, als er begriff. »Du bist eine von ihnen . Du gehörst zu diesem lästigen Hexenhaufen, zum Zirkel des Lichts.«
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»Ich … ich weiß nicht, wovon du redest.«
»O doch, das weißt du!«
Sie drückte auf ihre Flasche, und der Rest ihres kostbaren Beltane-Wassers spritzte dem Dämon auf die Brust. Es gab eine bläuliche Explosion, die ihm ein Loch mitten in den Oberkörper riss.
Das Wesen stieß einen üblen Fluch aus, sah auf seine Wunde hinunter, dann wieder zu Christine, die Augen zornerfüllt. Seine Stimme klang wie das Kreischen von Fingernägeln auf einer Tafel. »Falls du und deine Hexenfreundinnen meint, die Unsterblichen würden euch retten, habt ihr euch geirrt. Mein Meister wird euch alle zu Staub zertreten!«
»Verlass dich nicht darauf!«, erwiderte Christine. Der Dämon stieß ein schrilles Lachen aus, während seine Konturen unschärfer wurden und die Gliedmaßen zu schrumpfen schienen. »Oh, ganz sicher doch, darauf kann ich mich verlassen! Die Unsterblichen werden vernichtet, einer nach dem anderen, dafür sorgt Tain. Und wenn sie fort sind, wird mein Meister herrschen.«
Der ganze Zug erbebte. Im nächsten Moment riss die Luft entzwei, und ein schwarzer Spalt erschien. Das Dämonenfeuer und der Schwefel aus dem Abteil wurden in den Spalt eingesogen, bevor sich der Dämon in eine schwarze Rauchwolke aufl öste und darin verschwand.
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Kapitel 4
G erolds Augen waren starr vor Hass.
Kalen trat langsam vor und wagte nicht, den Blick von dem Messer in der Hand des Mönchs abzuwen- den. Das Kind. Er musste das Kind retten! Das winzige Mäd- chen bedeutete ihm alles.
Er war zu spät.
Gerold stieß zu. Scharfes Eisen drang in unschuldiges Fleisch. Blut spritzte, und das Wimmern des Säuglings ver- stummte abrupt.
Kalen war gelähmt vor Entsetzen. Ein leises Brummen er- klang in seinen Ohren, das lauter und lauter wurde, bis es sei- nen ganzen Kopf ausfüllte. Es dehnte sich immer weiter aus, so dass der Druck immer größer wurde und sich schließlich nicht mehr zügeln ließ. Eine rasende Wut entlud sich, und die Kris- tallspitze von Unis magischem Speer wurde tödlich kalt. Er schleuderte die Waffe in Gerolds Brust, wo sie die brau- ne Mönchskutte gleich oberhalb des Holzkreuzes durchbohrte. Man hatte Kalen glauben gemacht, das Kreuz sei ein Symbol der Liebe. Wie konnte diese Botschaft so entsetzlich verdreht werden?
Kalen riss den Speer aus der Leiche, worauf Gerold nach vorn kippte. Ein schrilles Siegesgeheul ertönte. Kalen wirbelte auf dem Absatz herum. Pater Iacopo lachte!
Während Kalen hinsah, verwandelte sich die Kutte des alten Abtes in Rauch. Sein Körper schmolz und formte sich zu dem einer Frau mit roten Dämonenaugen in dem wunderschönen 68
blassen Gesicht. Schimmerndes schwarzes Haar kringelte sich um ihren Kopf wie sich windende schwarze Mambas. Culsu.
Kalen hätte wissen müssen, dass diese Hölle seine Schöp- fung war.
Er hätte es wissen müssen.
Der Alptraum, die Erinnerung oder wie immer er es nennen wollte, ließ Kalen erschrocken aus dem Schlaf hochfahren. Ein hohles Gefühl blieb in seiner Brust zurück. Siebenhundert Jahre hatten nicht vermocht, die Schrecken dieser verfl uchten Nacht auszulöschen. Lange nachdem die Sonne aufgegangen war, lag er immer noch im Bett und fragte sich, warum zum Hades er aufstehen sollte. Dennoch tat er es schließlich. Er zog sich einen Kilt und ein weißes Leinenhemd an. In der modernen Welt war dies die Kleidung, die den Tuniken am nächsten kam, die er während der Zeit in Etrurien und Rom getragen hatte. Sie war weit, bequem und engte seine nackten Beine nicht ein. Warum die Menschheit es nötig fand, Hosen, Kniebundhosen und sonstige Tuchschläuche zu erfi nden, würde Kalen wohl stets ein Rätsel bleiben.
Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass es weit nach Mittag war. Schwer zu glauben, dass die Morgendämmerung einst seine liebste Tageszeit gewesen war. Heute hätte er nichts dagegen, bis zum Abend bewusstlos zu bleiben. Dabei sollte sich sein Herz eigentlich leichter anfühlen und er daran denken, welche Veränderungen ein Kind in sein Leben brächte. Stattdessen überschattete der Alptraum all seine Sinne. Er lief aus seinem Schlafzimmer
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