Immortal 3 - Schwarze Glut
Grenzen ihrer Magie besonders deutlich. Eine andere Hexe könnte einen magischen Schild heraufbeschwören oder Feuer aus ihren Fingerspitzen schießen. Nicht so Christine. Ihre Magie funktionierte nur mit Wasser oder wenn sie physischen Kontakt zu einem wasserhaltigen Feindkörper hatte – was auf Dämonen nicht zutraf. Sie waren Wesen aus Schwefel, Feuer, Pech und Illusion. Sie umklammerte ihre Wasserfl asche. »Raus!«
Der Dämon begann sich zu verwandeln. Die großmütterlichen Falten glätteten sich, das weiße Haar wurde dunkler. Die Schultern weiteten sich, die Beine wurden länger. Gleichzeitig nahm das Kinn eine kantige Form an, und auf ihm sprossen maskuline Stoppeln. Der rosa Pullover und der Wollrock wichen einem schwarzen Rollkragenpulli und einer anthrazitfarbenen Tuchhose. Nun war der Dämon männlich: groß, dunkel und sündhaft gutaussehend. Als er aufstand, füllte er praktisch das ganze Abteil aus.
Seine Stimme war rauh, wie ein erotisches Streicheln, und der irische Akzent verschwunden. »Was für ein hübsches kleines Menschenkind! Ich werde es dir sehr schön machen.«
Der Zug ruckelte, und Christine presste die Knie zusammen, um sich aufrecht zu halten. Der Dämon streckte ihr eine Hand entgegen, die Innenfl äche nach oben. Schwarze Funken, umgeben von öligem Rauch, drangen aus seinen Fingern. Seine Energie bündelte sich, wobei der Schwefelgeruch zunahm. »Komm schon, Süße! Es ist doch nur ein Kuss.« Er lächelte. »Nichts, was du noch nicht gemacht hast.«
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Die Göttin mochte ihr beistehen, er wusste es! Er wusste, dass sie einmal kurz davor gewesen war, zur Dämonenhure zu werden. Aber wenigstens hatte sie Shauns Betrug überlebt. Shaun nicht.
»Nein«, sagte sie. »Nein!«
»Du weigerst dich?« Statt enttäuscht zu sein, schien der Dämon amüsiert. Er zuckte nur mit den Schultern. »Dann duellieren wir uns. Das dürfte mich annähernd gleich befriedigen.«
Rotes Dämonenfeuer fl ackerte um ihn herum auf. Christine ploppte den Verschluss ihrer Wasserfl asche auf, was der Dämon bemerkt hatte, denn er sah hin, und in seinen unendlich schwarzen Augen tauchten rote Ringe auf. Die einzige Warnung bestand in einem plötzlichen Aufblitzen seiner weißen Zähne. Dann sprang die Kreatur mit ausgestrecktem Arm auf Christine zu. Das Dämonenfeuer knisterte um ihn herum. Christine machte einen Satz rückwärts, landete am Fenster und glitt zur Seite, als der Zug in eine Kurve ging. Sie fi el auf die Sitzbank, während das Dämonenfeuer über ihr als Funkenregen gegen die Scheibe prasselte.
Christine raffte all ihre Magie zusammen und murmelte einen schnellen Verteidigungszauber. Als Nächstes hielt sie die Flasche in die Höhe und schoss einen Wasserstrahl auf den Dämon ab, der ihn direkt zwischen die Augen traf. Kreischend wich er zurück und hielt sich die Hände vors Gesicht. Blaue Funken britzelten auf seiner Haut, und ganze Hautlappen lösten sich. Unter ihnen trat eine dicke schwarze Substanz hervor, wie geschmolzener Teer, die zischend auf den Boden tropfte.
Wo eben noch sein Gesicht gewesen war, brodelte jetzt eine ekelhafte Masse aus Knochen und Muskeln vor sich hin. Chris65
tine drehte sich der Magen um. Nur noch die Augen des Wesens waren zu erkennen, die vollständig rot geworden waren.
»Dreckige Schlampe!« Die geknurrten Worte kamen aus einem klaffenden Loch, das zuvor der Mund des Dämons gewesen war. Am liebsten hätte Christine geschrien. Der Schwefelgestank wurde beständig übler, und das ganze Abteil füllte sich mit einem dichten schwarzen Nebel.
Sie bekam kaum noch Luft, und ihre Augen brannten. Bald konnte sie vor lauter Rauch kaum noch etwas sehen. Schemenhaft nahm sie wahr, wie sich etwas nach rechts bewegte, und spritzte mehr Wasser in diese Richtung. Im nächsten Augenblick sprang der Dämon von links auf sie zu. Sie duckte sich und wich zurück, so dass sie mit dem Hinterkopf hart gegen das Gepäcknetz schlug. Als sie zur Seite fi el, sah sie Sterne und konnte der Hand des Dämons nur knapp ausweichen. Immerhin schaffte sie es, ihm Wasser auf die schwarze, versengte Haut zu spritzen.
Der Dämon knurrte. »Menschenhure!«
»Ich sagte, du verschwindest.« Sie zielte mit der Flasche auf ihn und betete, dass er weder merkte, wie sehr ihre Hände zitterten, noch, dass die Flasche fast leer war. »Hast du jetzt genug?«, fragte sie mit fester Stimme, obwohl sie vor Angst verging. »Ich kann es auch noch schlimmer machen.«
Beißender Rauch waberte auf,
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