Immortal. Dunkle Leidenschaft
legte die Hände an ihre Wangen und hob ihren Kopf leicht an, so dass sie ihm ins Gesicht sah. »Ich dachte da an etwas Wirksameres als Budenzauber.«
Selbst wenn sie wollte, könnte sie nicht wegsehen. Wie gebannt starrte sie in seine dunklen Augen, die ihr die Geheimnisse des Universums versprachen – vorausgesetzt, sie lernte, sie zu verstehen. Dann fühlte sie, wie das Zimmer sich um sie herum auflöste, was aber nichts machte, weil Adrian bei ihr war. Seine großen Hände wärmten ihre Wangen, und es fühlte sich beinahe gut an, in die tiefe Finsternis seines Blicks einzutauchen.
Das Erste, was sie spürte, war Kälte. Eisiger Wind heulte über ein arktisches Meer und fuhr ihr bis ins Mark. Sie stand an einem bewaldeten Abhang, der hinunter zu einem klaren blauen See führte. Das vollkommen ruhige Gewässer erstreckte sich bis hinter einen zerklüfteten Berg. In der Ferne konnte Amber eine Burg sehen, groß und kastig. Das war eine Festung, kein Märchenschloss, düster und schnörkellos, zur Verteidigung gedacht. Adrian war nirgends zu entdecken.
»Adrian?« Ihre Stimme hallte durch die plötzliche Leere.
Als ihr Atem nicht sofort in der Kälte gefror, wurde ihr klar, dass sie nur magisch hier war. In Wirklichkeit musste sie immer noch mit Adrian in ihrem Schlafzimmer sitzen, wo er seine Hände auf ihrem Gesicht hatte und sie sehen ließ, was er ihr zeigen wollte.
Sie begann, den Abhang hinunterzusteigen, wobei ihr auffiel, dass sie über Dornenbüsche und herabgefallene Äste steigen musste, die ihr allerdings nicht wehtaten, obwohl sie barfuß war.
»Adrian, wo bist du?«, rief sie.
Keine Antwort. Sie biss die Zähne zusammen und stieg schneller hinunter. Aus irgendeinem Grund glaubte sie, unten am Abhang Adrian zu finden oder zumindest zu erfahren, wo er war. Weder geriet sie außer Atem, noch verletzte sie sich. Allerdings empfand sie es als unfair, dass sie überhaupt nach Adrian suchen musste.
Es sei denn, es war etwas schiefgegangen. Das hier war ähnlich einer Reise in die Zwischenwelt, die Amber erst zweimal in ihrem Leben unternommen hatte. Beide Male hatte Susan auf sie aufgepasst, und trotzdem war sie jedes Mal halb gestorben vor Angst. Eines jedoch unterschied dies hier von ihren bisherigen Erfahrungen: Sie spürte keine Ley-Lines, die sie mit ihrem Körper verbunden hielten, fühlte sich nicht schwerelos oder fähig, mittels eines Gedankens von einem Ort zum anderen zu wechseln. Nach ihren Reisen in die Zwischenwelt war sie immer ein bisschen seekrank gewesen.
»Du hättest mir ruhig vorher verraten können, dass ich bergsteigen muss«, murmelte sie. »Wer du auch bist, Adrian, du treibst mich in den Wahnsinn – was hundertpro beweist, dass du ein Mann bist!«
Als sie Rufe hörte – tiefe heisere Rufe und dazu ein metallisches Klirren –, blieb sie schlitternd hinter einem Baumstamm stehen und lugte auf die Lichtung, die zum Seeufer hinunterführte.
Ein Dutzend Kreaturen mit krummen Rücken und ledrigen Flügeln kreiste über einem einsamen Krieger. Der Mann war weit über zwei Meter groß und trug ein Kettenhemd und einen Wappenrock, beides war blutbefleckt. Er hatte außerdem eine Kettenhaube auf und Schutzschienen an Armen und Beinen. In einer Hand hielt er ein riesiges Schwert, das Amber heute Nacht bereits im Lagerhaus gesehen hatte.
Adrian drehte sich langsam im Kreis und beobachtete die Dämonen – jederzeit bereit, mit dem Schwert zuzuschlagen. Amber ging ein merkwürdiges Wort durch den Kopf: Dunkelfee. Große starke und stinkende keltische Unwesen, die Vieh abschlachteten, Kinder stahlen und sonstige Schreckenstaten vollbrachten. Im Moment versammelten sie sich, um Adrian zu töten.
Amber konnte unmöglich sagen, ob dieser Adrian aus der Vergangenheit war, weshalb sie sicher sein könnte, dass er den Kampf überleben würde, oder ob es der Adrian war, den sie heute Nacht kennengelernt hatte, und er von ihrem Dämon in ein tödliches Spiel verstrickt worden war. Der Adrian mit der tiefsitzenden Jeans war jedenfalls nirgends zu sehen.
Die Dunkelfeen stürzten sich aus allen Richtungen gleichzeitig auf ihn. Amber hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Sie versuchte, Schutzzauber für ihn heraufzubeschwören, doch sie verpufften alle, was sie daran erinnerte, dass der Ort nicht echt war. Sie befand sich in Adrians Erinnerungen. Ihr magischer Körper und Geist blieben auf dem Bett in ihrem Haus.
Ein Kriegerschrei ertönte aus Adrians Kehle und
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