Immortal Guardians: Dunkler Zorn (German Edition)
stimmt nicht!«, widersprach er. Wie kam sie darauf?
Sie hob den Kopf und sah ihn traurig an. »Ich weiß, dass ihr so getan habt, es wäre alles ganz normal … aber ihr habt mich alle mehrere Tage lang ständig angestarrt.«
Er dachte an den Moment zurück, als Darnell endlich die Dateien dechiffriert hatte, die sie am Morgen ihrer Rettung hatten mitgehen lassen, und die Wahrheit über sie herausgefunden hatten. Wer sie war. Was sie war. All das, was man ihr angetan hatte.
Hatten sie sie wirklich angestarrt? Hatte sie sich unwohl gefühlt? Ängstlich? Wie ein Käfer unter dem Mikroskop, darauf wartend, dass man ihm die Flügel herausreißen würde?
Oder wie das Monster, von dem sie zu glauben schien, dass sie sie als ein solches betrachteten?
»Ami«, setzte er an, wusste jedoch nicht weiter. »Wir haben nicht … Ich bin mir nicht sicher, ob dir klar ist …« Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. »David und ich leben seit Tausenden von Jahren, lange genug, um Zeugen biblischer Ereignisse geworden zu sein. In all dieser Zeit, die wir auf der Erde wandeln, haben wir niemals jemanden wie dich getroffen. Es … Es war ein Schock. Aber –«
»Und du glaubst, für Marcus wäre es kein Schock?«
Seth fragte sich, ob es nicht besser wäre, wenn er Marcus gegen Amis Willen reinen Wein einschenkte. Vielleicht sollte er Marcus beiseitenehmen und ihm erzählen, was vor anderthalb Jahren passiert war. Dann hätte Marcus Gelegenheit, den Schreck zu überwinden und gefasster zu reagieren, wenn sie es ihm erzählte.
Andererseits mochte Amis Erinnerung an ihre Reaktion auch etwas verzerrt sein. Sie hatte ihre Retter zu jener Zeit nicht gut gekannt und solche Angst vor ihnen gehabt, dass sie sich geweigert hatte zu essen, es sei denn, man ließ sie beim Zubereiten der Speisen zusehen, und aß vor ihren Augen davon, damit sie sicher war, dass das Essen nicht vergiftet war.
Nein, es war einzig und allein Amis Entscheidung, wann und bei welcher Gelegenheit sie Marcus davon erzählen wollte. Und ob sie es überhaupt tun wollte.
Aber vielleicht konnte er sie wenigstens ermutigen.
»Ich möchte dich etwas fragen. Wie würdest du dich fühlen, wenn ich dir sagen würde, dass Marcus kein Unsterblicher ist, sondern ein Vampir? Dass sein Gehirn aus Gründen, die wir nicht kennen, nicht im selben Maße und mit derselben Geschwindigkeit wie bei einem Vampir von dem Virus zerstört wird? Was aber nicht heißt, dass dieser Prozess nicht bereits im Gang wäre und bald einen kritischen Punkt erreicht, an dem er seine Gesundheit einbüßt … Und dass das der Grund wäre, warum er sich in letzter Zeit manchmal so unberechenbar verhält?«
Blanker Horror spiegelte sich in ihrem Gesicht, und sie wurde immer blasser, während er weitersprach.
»Ist das wahr?«, fragte sie heiser.
»Nein«, versicherte er ihr.
Ihre Schultern sackten erleichtert nach unten.
»Aber selbst wenn es das wäre, würdest du ihn dann immer noch lieben?«
»Ja.«
»Würdest du bei ihm bleiben?«
»Ja, natürlich.«
»Und wie hättest du reagiert, wenn er dir dasselbe gesagt hätte?«
Sie seufzte schwer.
Seth ließ ihre Hand los und legte einen Arm um ihre Schulter. »Unterschätz ihn nicht.«
Sie lehnte den Kopf an seine Brust. »Ich bin es so leid, immer diese Angst mit mir herumzutragen.«
»Ich weiß, Liebes.« Er wusste, dass sie immer mit dieser Angst lebte, und bewunderte sie sehr dafür, dass sie sie ertrug und dagegen ankämpfte. »Aber du bemerkst sicher selbst, dass deine Angst immer weniger wird.«
Sie schüttelte den Kopf und sah mit feuchten Augen zu ihm auf.
»Kannst du mich heilen, Seth? Machen, dass sie weggeht?«
Darum hatte sie ihn bisher noch nie gebeten.
»Leider nicht«, sagte er, und seine Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Wenn er das tun wollte, dann musste er die Ereignisse aus ihrem Gedächtnis löschen, die der Angst zugrunde lagen. Doch ihr Wissen um diese Ereignisse zu löschen, würde sie noch verletzlicher machen – das Risiko war zu hoch. »Es tut mir wirklich leid, Liebes.« Er sah zur Tür, da er ein Geräusch gehört hatte, das kein anderer Unsterblicher durch die schalldichte Tür aufzufangen vermocht hätte. »Darnell kommt. Wir sollten nach oben gehen.«
Eine einzelne Träne kullerte über ihre Wange, doch sie wischte sie entschlossen weg und straffte die Schultern.
Seth erhob sich, nahm ihre schmale Hand und half ihr beim Aufstehen. »Alles wird gut, Ami.«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem
Weitere Kostenlose Bücher